Kapitel VII

Wirtschaftliche Sorgen

Sich Sorgen um das Wohlergehen Deutschlands oder des deutschen Volkes zu machen und gleichzeitig das Potsdamer Abkommen zu unterstützen, ist ein Widerspruch, weil, wie wir gesehen haben, mit letzterem beabsichtigt war, den Deutschen beim Wiederaufbau nicht zu helfen, sondern sie daran zu hindern. Potsdam basierte auf dem Morgenthau-Plan, und der Morgenthau-Plan hatte festgelegt:

Die einzige Aufgabe des Militärs bei der Kontrolle der deutschen Wirtschaft soll sein, militärische Operationen und militärische Besetzung zu erleichtern. Die Alliierte Militärregierung soll keine Verantwortung für solche wirtschaftlichen Probleme wie Preiskontrolle, Rationierung, Arbeitslosigkeit, Produktion, Wiederaufbau, Verteilung, Verbrauch, Wohnungen oder Transport übernehmen, noch soll sie irgendwelche Maßnahmen ergreifen, die dazu geeignet sind, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken, ausgenommen solche, die für militärische Operationen notwendig sind. Die Verantwortung für die Erhaltung der deutschen Wirtschaft und der Menschen, liegt beim deutschen Volk, mit den Einrichtungen, die unter den gegebenen Umständen zur Verfügung stehen. (Hervorhebung hinzugefügt)

"Unter den gegebenen Umständen" muß im Sinne von nicht vorhandenen unbedingt erforderlichen Einrichtungen unterstrichen werden. Die gebietsmäßigen Verluste und Beschlagnahmungen, das Programm mit der Überbevölkerung durch Millionen von vertriebenen Ostdeutschen, die in großem Maßstab durchgeführte Versklavung der deutschen Arbeitskräfte, die Auflösung ganzer Klassen deutscher Wissenschaftler und leitender Personen in Wirtschaft und Technik durch Entnazifizierung, die Entscheidung, nach dem Zustandekommen einer Einigung, die Industrie auf einer niedrigen Stufe festzulegen, verbunden mit der industriellen Plünderung und Vernichtung aller deutschen auswärtigen Quellen - all diese Maßnahmen über die Kriegszerstörungen hinaus - kann nicht anders beschrieben werden, als ein Programm, Deutschland und das Volk zu einem Zusammenbruch zu bringen.

Aber dies sind nicht die einzigen Unterdrückungsmaßnahmen. Steuern wurden bis an die Grenze der Beschlagnahme angehoben, was eigene Initiative unterdrückt und die Führung eigener Unternehmen verhindert. Sie halfen dabei, die deutsche Wirtschaft zu sozialisieren und das Motiv für Gewinn zu töten. Sie haben die öffentliche Moral korrumpiert, weil sogar der Ärmste sie irgendwie umgehen muß, um genug Geld zu haben, Schuhe zu kaufen.[1] Wir haben es abgelehnt, für die Deutsche Mark im Verhältnis zu anderen Währungen einen Wechselkurs festzulegen, um privat durchgeführte Importe und Exporte zu verhindern und legen das bißchen an Export, das es gibt, in die Hände der Militärregierung. Und anstatt zu versuchen, irgendeinen intelligenten Plan zur Wiederbelebung des zusammengebrochenen Finanzsystems auszuarbeiten, haben wir die Dinge durch solche Aktionen wie das Drucken riesiger Summen von Besatzungsgeld soweit verschlimmert, daß es fast mit Sicherheit dazu beitragen wird, eine Inflationskatastrophe wie im Jahre 1923 herbeizuführen und die Zerstörung der deutschen Mittelklasse zu vervollständigen.[2] Ein solches Ergebnis würde dem Ziel Sowjet-Rußlands dienen, jedoch kaum dem anderer Mächte.

Wirtschaftliche Erschöpfung

Es ist schwierig, sich die Tiefe der deutschen Wirtschaftskrise vorzustellen. Als die Vereinigten Staaten 1932 den Tiefststand erreichten, war die Industrieproduktion auf 60 Prozent des normalen gesunken. Die Wirtschaftskrise war so schwer - Verluste so ungeheuer, Arbeitslosigkeit so weitverbreitet - das es fast eine Revolution auslöste.

Ein Jahr nach dem V-E Day war die Industrieproduktion in Deutschland 10 Prozent dessen, was normal gewesen war.

Die Produktion in unserer Zone hat sich langsam gesteigert, bis sie 12 Prozent des alten normalen Niveaus erreichte oder ungefähr 20 Prozent der jetzt erlaubten Grenzen. Mit der Verringerung der Rationen begann jedoch der stetige Niedergang.[3] Am 4. Mai berichteten Brig. Gen. William H. Draper, Wirtschaftsdirektor der Amerikanischen Militärregierung (AMG), daß der Ausstoß in unserer Zone "weit unter dem Notwendigen liege, um den Minimumstandard zum Leben zu erhalten." Der Bericht gab Produktionszahlen für individuelle Industrien als Prozentsätze für Kapazität. Hier sind einige Beispiele: Chemie 25 Prozent, Elektrizität 20 Prozent, Baumaterial 20 Prozent, Stahlprodukte 13 Prozent, Keramik 5 Prozent, landwirtschaftliche Geräte 22 Prozent, elektrische Ausrüstung 15 Prozent, mechanische und industrielle Maschinen 10 Prozent.[4] Im darauf folgenden Sommer wurde berichtet, daß in unserer Zone weniger als 30 Prozent der verfügbaren Industrie in Betrieb waren.[5]

Ende August erklärte der stellv. Militärgouverneur Clay, daß es mindestens vier weitere Jahre dauern werde, bis Deutschland sich soweit erholt habe, die Produktion auf den Stand für das unter dem Entindustrialisierungsprogramm festgesetzte nackte Minimum zu bringen.[6]

Kriegszerstörung plus dem Unterdrückungsprogramm der Alliierten haben ein Durcheinander geschaffen. Von den Produktionsanlagen, die nicht völlig zerbombt wurden, waren viele veraltet, andere befanden sich in Gebieten, wo die Zerstörung der Wohngebiete so vollständig war, daß es keine Wohnmöglichkeit für die Arbeiter gab oder wo Transport und Kommunikation nur für einen Teil der Produktion zur Verfügung stand.[7] Frachtbeförderung ging nur langsam voran und war unzuverlässig und konnte nur 70 Prozent der geringen Nachfragen befriedigen. Der Fahrgastdienst kann nur 30 Prozent der deutschen Erfordernisse decken. Die Wagen sind vollgestopft und Fahrgäste hängen sogar an den Seiten und auf den Dächern. Der Mangel an Eisenbahnwaggons, Fahrzeugen Schiffen, Arbeitskräften und Kohle ist teilweise die Folge von Engpässen und der unvermeidlichen Unproduktivität von Militärkontrolle.[8]

Die niedrige Kohleproduktion ist ein größeres Problem, das zum Teil von dem Mangel an Gütern für die Bevölkerung und damit für die Bergleute und ihre Familien herrührt. Der verantwortliche AMG-Beamte sagte im Juli 1946, daß die Bergleute auf andere Weise besser ernährt und besser behandelt werden müssen.

Als Initiative für die Bergleute müssen wir ordentliche Wohnungen zur Verfügung stellen und Güter für Verbraucher erreichbar machen. Zur Zeit können sie nicht einmal Nadel und Faden kaufen, um ihre Hosen zu reparieren.... Es gibt bei den Arbeitern keine Verschwörung zur Langsamkeit, noch eine politische Sabotage im Untergrund, es ist nur, daß sie keine Initiative zur Arbeit haben.[9]

Ein hochrangiger britischer Offizier hatte ein paar Tage vorher erklärt, daß sich an der Ruhr antibritische Gefühle verstärken. Er sagte:

Die Deutschen fangen an, das ihnen durch die alliierte Politik aufgezwungene wirtschaftliche Elend zu begreifen. Es ist nur natürlich, daß dadurch eine steifere Haltung gegenüber dieser Politik entsteht und daß die Briten das meiste dieser Versteifung zu spüren bekommen sollten, weil durch das Reparationsprogramm mehr aus der britischen Zone, als aus anderen Teilen Deutschlands herausgeholt wird..

Er wies darauf hin, daß die Bergleute wegen des Fehlens von Nahrungsmitteln und anderen Notwendigkeiten so wenig Initiative haben und fügte hinzu: "Es ist ein Teufelskreis, in dem wir keine Verbrauchsgüter haben, weil die Herstellungsstätten keine hiesige Kohle haben, um sie herzustellen.[10]

Engpässe und Mängel ziehen sich als unausweichliche Konsequenz von Kriegszerstörung und durch die auf die festgelegte Höhe aufgezwungenen Produktionsverbote durch die ganze deutsche Wirtschaft. Zum Beispiel wurde im Juli 1946 berichtet, daß der Mangel an Metallen die gesamte Produktion von Pflügen zum Stillstand gebracht hatte und die Versorgung mit Hufeisen und Nägeln vollkommen zusammengebrochen war. Die Zahl der Lastwagen in Berlin, mit seinen 3.000.000 Einwohnern und einem Gebiet, das fünfmal so groß ist, wie das von Chikago, war auf 8.000 gesunken. Lötzinn war nicht zu haben, nicht einmal um Töpfe und Pfannen zu löten. Schuhmacher benutzten alte Aktentaschen, Würfelbecher, Helmfutter, jedes Stückchen gerettetes Leder, das sie zur Reparatur von Schuhen verwenden konnten. 50.000 Schüler waren ohne Schuhe, und der Bedarf an Schuhnägeln war fast erschöpft. Wegen Mangels an Kalium-Permanganat, das durch die Demontage der I.G. Farben Fabriken verursacht wurde, war die Herstellung von Saccharin bedroht, das sowohl wegen des Nichtvorhandenseins von Zucker als auch wegen der Diabetiker überaus nötig war. Die Herstellung von Klebestreifen, Musselin, Bandagen und Operationsverbänden war gestoppt, weil die von den Russen beschlagnahmten Baumwollfabriken in Thüringen kein Rohmaterial zur Verfügung stellen wollten. Die Zementproduktion, die für den Wiederaufbau so dringend erforderlich war, war wegen der Demontagen und des Mangels an Maschinen und Werkzeugen sehr gering.[11] Berichte zeigen daß solche Industrien wie für Teppiche, Bestecke, Spielzeuge und Musikinstrumente, die glücklicherweise den Krieg überstanden hatten, keinen Brennstoff und kein Rohmaterial hatten.[12]

Die deutsche Produktion zur Zeit genügt keineswegs, um das gegenwärtig erforderliche Minimum für die Bevölkerung zu decken. Im ersten Jahr war es möglich, auf die Reservebestände, die aus der Zeit vor der Kapitulation übriggeblieben und von der Plünderung und Vernichtung seitens der Siegerarmeen verschont geblieben waren, zurückzugreifen.[13] Aber diese Reserven waren nach und nach erschöpft und verhießen keine gute Aussicht für die Zukunft. Aufgetragene Kleidung konnte Dank des praktisch nicht Vorhandenseins von Textilien für die Zivilbevölkerung nicht ersetzt werden. Als Konsequenz dessen, wie ein Reporter es ausdrückte: "Die bestangezogenen Fräuleins in Berlin, werden in diesem Frühjahr eine Kombination aus Fenstervorhängen und alten Bettüchern tragen."[14]

Die Verzweiflung, Geld für Nahrungsmittel auf dem Schwarzen Markt zu bekommen, um die Hungerrationen aufzubessern, hat bei den Deutschen dazu geführt, ihre Besitztümer zu verkaufen, wobei sie als erstes das verkauften, was sie am wenigsten brauchten. Zuerst waren es die die Ringe, dann die Uhren, Armbänder, das andere Paar Schuhe, Kleider, Jacken, Anzüge. Wie ein Berlinreporter es formulierte:

Letzten Winter gab es keine Kohlen, und die Berliner verbrannten jeden Baum in der Stadt und in der Umgebung von einigen Meilen. Kälte ist die schlimmste von allen Lebensbedingungen, und wenn die Menschen sich mehr und mehr dem Primitiven nähern, ist es nur natürlich, daß sie in die Zukunft blicken. Zunächst war ich erstaunt, im Sommer Mädchen mit langen Fuchspelzen oder Eichhörnchen oder Schafsfell durch die Straßen von Berlin gehen zu sehen. Dann wurde es mir klar. Die Erinnerung an letzten Winter und den nächsten Winter ohne Brennstoff vor sich - sie hatten an Kleidung das verkauft, was sie am wenigsten brauchten. Und ich mache keinen Scherz, wenn ich sage, daß viele dieser Fräuleins bei ihrem letzten Pelzmantel angekommen sind.[15]

Eine Bekanntmachung der Associated Press aus Herford, Deutschland, vom 9. September 1946 lautet: "Heute informierten die Briten die Deutschen in ihrer Zone offiziell, daß sie diesen Winter keine Kohlen zum Heizen erhalten würden."[16]

Etwas später wurde für die Bergleute ein Arrangement getroffen, an Sonntagen zu arbeiten, so daß eine durchschnittliche Familie von vier Personen in der zusammengelegten britisch-amerikanischen Zone Brennstoff für den Winter mit einem Heizwert von etwas mehr als einer halben Tonne Steinkohle für eine Zeitspanne von sechs Monaten erhalten konnte. Einen Monat später stimmten die Gewerkschaften dafür, nicht an Sonntagen zu arbeiten.[17]

Angesichts dieser trostlosen Aussicht, war das beste, auf was man in Bezug auf Nahrungsmittel seitens der Bevölkerung erhoffen konnte, die, wie bereits beschrieben, an der äußersten Grenze des Verhungerns lebte, an Hungerödemen, Schwellen der Gelenke und all den anderen Schrecken langsamen Verhungerns litt, eine Erhöhung der Rationen während des Winters 1946-47 auf die "unbarmherzigen und gefährlichen" 1.500 Kalorien. Im Juni 1946 sagte Oberst H.B. Hester, der die Verantwortung für die Nahrungsmittelabteilung der Amerikanischen Militärregierung hatte, für den kommenden Winter eine katastrophale Hungersnot in Deutschland voraus, wenn nicht im Oktober die Rationen erhöht würden.[18] Sein Bericht folgte einem anderen von Oberst W.L. Wilson, Leiter der Abteilung für Gesundheit und Wohlfahrt, daß der Gesundheitszustand des besiegten Volkes mit der jetzigen Ration sich schnell verschlechterte.[19]

In der Französischen Zone sind wöchentlich 5.000 gestorben. Wie von amerikanischen Beamten offiziell berichtet wurde, gab es im Hochsommer 1946 in Berlin 19.000 sehr ernste Tuberkulosefälle, für die keine Betten zur Verfügung standen. Der Hamburger Senat gab einen Aufruf an England und die ganze Welt heraus, Nahrungsmittel und Medikamente zu schicken, um "schreckliche Epidemien und Massensterben" zu vermeiden. Hamburger Straßenbahnfahrer und Schaffner gefährdeten die Sicherheit des öffentlichen Transports durch "Ohnmachtsanfälle", die durch Hunger hervorgerufen wurden und durch Zusammenbrechen während des Dienstes durch lange Unterernährung und Schwäche.[20] Der Medizinische Rat von Köln informierte die Britischen Militärbeamten, daß die Bevölkerung dort einer "Katastrophe entgegensehe", wenn nicht schnell Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt würden und fügten hinzu, daß die "Abwehr gegen ansteckende Krankheiten, insbesondere Tuberkulose, verschwinde." Bevollmächtigte vom Rheinland sandten einen Aufruf von Düsseldorf an die Britische Militärregierung, die "mörderische Nahrungsmittellücke zu schließen," um die durch Hunger verursachten und sich schnell ausbreitenden Krankheiten und Epidemien unter Kontrolle zu bekommen." Eine medizinische Autorität sagte:

Viele Tausende von Männern, Frauen und Kinder, die, mit dem was sie noch an Kraftreserven und Vitalität besaßen, es möglich gemacht haben, Unbilden, Kälte und Hunger im letzten Winter durchzustehen, werden den kommenden Winter nicht überleben, nachdem sich durch ein weiteres Hungerjahr ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten weiterhin verringert hat. Die Todesrate könnte wirklich entsetzlich sein. [21]

Mit dieser angsterregenden Prognose liegt es nun an den Hilfsorganisationen, auf Hochtouren zu arbeiten, wenn Millionen von Leben gerettet werden sollen.

Wirtschaftliche Zersplitterung

Beamte der Großen Vier schoben das ganze Elend Deutschlands auf den Krieg und die Teilung in Zonen. Ihrer Meinung nach bot Potsdam die bestmögliche Lösung aller Schwierigkeiten, wenn nur die Entscheidung über die Zonenteilung korrigiert werden könnte.

Deutsches Gebiet westlich der Oder-Neiße-Linie war in vier Zonen geteilt und sollte von den Militärkräften von Rußland, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich besetzt und verwaltet werden:

Die Russische Zone, bestehend aus der östlichen Hälfte Preußens westlich der Oder-Neiße-Linie, ist die ausgeglichenste der vier Zonen. Zusätzlich zu den 45 Prozent von Deutschlands Herstellungsfirmen während des Krieges, produzierte sie mehr als genug an Nahrungsmitteln für den eigenen Verbrauch und hat Zechen für Braunkohle und andere Mineralien. Andere Teile des Reiches waren wegen wichtiger Rohmaterialien und Herstellung von Materialien von diesem Teil Deutschlands sehr abhängig. Ausgeräumt wie es war, hatte es nichtsdestoweniger Rußland mit einem beachtlichen Strom von Gütern als Reparation versorgt.

Britanniens Zone besteht aus der westlichen Hälfte Preußens. Darin befindet sich das Ruhrgebiet, das die wertvollsten natürlichen Resourcen des Kontinents hat, insbesondere große Kohleablagerungen von hoher Qualität in der Nähe von Europas besten Eisenvorkommen, und es liegt in der Mitte von Europas dichtest besiedelter Region mit ausgezeichneten Transportmöglichkeiten auf der Bahn und auf dem Wasser. Molotow nannte es zu recht "Europas Werkstatt." Trotz intensiver Kultivierung, leidet die Zone unter einem schweren Defizit, und sogar die Kohleproduktion war seit dem V-E Day gering. Die Verwaltungskosten betragen über die Einnahmen hinaus 320 Millionen Dollar jährlich.

Die Amerikanische Zone liegt in den zentralen und südlichen Teilen des Reiches. Das meiste davon sind bergige und landschaftliche Gebiete. Es kann und wird auch nicht seinen Bedarf an Nahrungsmitteln selbst decken können und ist sehr auf verschiedene Importe angewiesen. Es veranschaulicht deutlich die gegenseitige Abhängigkeit aller Teile der deutschen Wirtschaft untereinander. Alle erforderliche harte Kohle muß aus dem Ruhr- oder Saargebiet herangeschafft werden, und 83 Prozent des erforderlichen Stahls, der von vielen Herstellungsfirmen benötigt wird, kommt von außerhalb. Der Mangel an Kohle hat viele Industrien gezwungen, teilweise oder ganz zu schließen; z.B. die pharmazeutische Industrie, die Teer benötigt; das Reifengeschäft, das Buna aus Kohle braucht; und verschiedene Herstellungs-, Verarbeitungs- und Fertigungsfirmen. Wegen Stahlmangels mußte der größte Blechhersteller in Bayern schließen, so daß ca. 10 Millionen Blechbüchsen, die nötig gebraucht wurden, um die 1946er Ernte von Erbsen, Bohnen und Früchten einzumachen, nicht vorhanden waren. Viele sind arbeitslos, und die Verwaltung kostet die amerikanischen Steuerzahler 200 Millionen Dollar pro Jahr.

Die Französische Zone besteht zumeist aus Teilen einer früheren deutschen Provinz,, die an Frankreich angrenzte und enthält keine vollständigen politischen oder wirtschaftlichen Einheiten.

Der Hauptaktivposten ist das Saargebiet, reich an Kohle und Stahl. Wenn auch intensiv kultiviert, kann die Zone sich nicht selbst mit Nahrungsmitteln versorgen, weil sie viele Wein- und Obstanbaugebiete hat. Sie muß z.B. ihre Kartoffeln aus Bayern einführen, und andere Zonen sind auf ihre Nahrungsmittelspezialitäten angewiesen.

Eine der außergewöhnlichen Tatsachen über Deutschland, ist die Abhängigkeit jedes Teils, und nun jeder Zone von allen anderen - wegen Nahrungsmitteln, Stahl, Kohle, Holz und andere Notwendigkeiten. Die Friedensregelungen hatten eine wirtschaftliche Trennung von Deutschlands stark abhängigen Regionen nicht in Erwägung gezogen. Da die Zonen strikt nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten eingerichtet wurden und nicht vorgesehen war, daß sie irgendeinen trennenden Einfluß auf die deutsche Wirtshaft haben sollten, waren die zonalen Grenzen so angelegt, daß sie politische und wirtschaftliche Unterteilungen kreuzten. Der Glaube, daß die Zonen eine Sache bleiben würden und die deutsche Wirtschaft eine andere, zeigt sich klar in den frühen politischen Darstellungen und Erklärungen.

Potsdam legt fest, daß "während der Besatzungszeit Deutschland als wirtschaftliche Einheit behandelt werden soll," und eine frühere Erklärung der Großen Vier über den Kontrollmechanismus für Deutschland bestimmt:

Der Kontrollrat, dessen Entscheidung einstimmig sein soll, wird durch die Oberbefehlshaber für angemessene einheitliche Behandlung der Aktionen in den jeweiligen Besatzungszonen sorgen und wird Entscheidungen treffen über Hauptfragen, die Deutschland als ganzes betreffen, denen alle zugestimmt haben.

Diese Forderung nach Ergebnissen wurde durch die gleichzeitig niedergelegten Bedingungen unmöglich gemacht und war so wirkungsvoll, als hätte man der Sonne befohlen stillzustehen.

Die Forderung, auf der die Russen bestanden hatten, daß die Entscheidungen des Kontrollrats "einstimmig sein sollen," hat praktisch "Entscheidungen über Hauptfragen, die Deutschland als ganzes betreffen, denen alle zugestimmt haben" verhindert und hat alles andere als Einheitlichkeit zonaler Aktionen gebracht. Es hat die Wirksamkeit des Kontrollrats zunichte gemacht, genau so, wie das Veto-Recht, auf dem die Russen ebenfalls bestanden hatten, die Wirksamkeit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zunichte gemacht hat.

Frankreich stellte sich beim Abstimmen im Kontrollrat besonders quer. Wenn auch die Delegationen von Britannien und Amerika darauf bestanden, daß Frankreich bei der Kontrolle und Besetzung des Reichs durch die Vier Mächte eingeschlossen werden solle, hat Frankreich die Potsdamer Erklärungen nie unterzeichnet. Als Konsequenz daraus, ist es bei den Abkommen nicht gebunden, kann jedoch bei der Durchführung Veto einlegen.[22] Es hat offen seine Ablehnung gegen eine deutsche Wiedervereinigung geäußert und, für seine eigenen Schutz und territoriale Vergrößerung verlangt, daß Deutschland balkanisiert und als Machtfaktor in Europa zerstört werden solle. Um das zu erreichen, hatte es unnachgiebig darauf bestanden, wie bereits vorher gesagt, daß das ganze Westdeutschland auseinandergebrochen und entweder internationalisiert oder Frankreich hinzugefügt werden solle. Als es seinen Platz unter den Großen Vier einnahm, gab es zu verstehen, daß es, bis alle diese Forderungen erfüllt seien, bei allen Entscheidungen des Kontrollrats, die Deutschland als wirtschaftliche Einheit behandeln würden, Veto einlegen werde, was es denn auch tat - sogar bis zu einem so feinen Punkt, daß es eine Briefmarke ablehnte.

Bei der Blockierung einer einheitlichen wirtschaftlichen Verwaltung, war Frankreich jedoch in keiner Weise allein. Rußland machte fast ebensolche Schwierigkeiten, und wäre wahrscheinlich noch schwieriger gewesen, wenn Frankreich nicht so zuvorkommend gewesen wäre. Sogar Britannien und die Vereinigten Staaten zögerten nicht sich querzustellen, wenn immer es zum Vorteil für ihren Eigennutz zu sein schien.

Da es also keine "Übereinstimmung in den Entscheidungen" gab, die für alle einheitlichen Aktionen erforderlich war, wurde das Reich in vier wirtschaftlich unzulängliche und unausgeglichene "luftdichte" Abteilungen aufgeteilt, von der jede ausschließlich von der es besetzenden Macht verwaltet wurde, als wäre sie eine Kolonie oder ein Protektorat. Die zonalen Grenzen waren schwieriger zu überbrücken, als Grenzen internationaler Staaten, da sie solche Barrieren zu interzonalem Verkehr bildeten, daß, wie gering auch der Handel war, es ein Tauschhandel sein mußte, der durch einen besonderen Vertrag vereinbart war.[23]

Wenn auch die wirtschaftliche Zersplitterung allein schon die Garantie für ein wirtschaftliches Durcheinander gewesen wäre, kann sie gerechterweise nicht als Vorwand für alle Sünden Potsdams hingestellt werden, noch für die Defizite in der britischen und amerkanischen Zone. Sogar wenn es die zonalen Teilungen nicht gegeben hätte, würden die anderen harten und repressiven Maßnahmen von Potsdam eine wirtschaftliche Lähmung Deutschlands gesichert haben.

Indem sie diese eindeutige Tatsache völlig ignorieren, finden es viele Beamte zweckmäßig, die ganze Schuld den Zonengrenzen zuzuschieben und zu argumentieren, daß, wenn diese verschwinden würden, Potsdam von einem kläglichen Fehlschlag in einen glänzenden Erfolg verwandelt werden könne. Diese These könnte sie in die Lage versetzen, den ungeheuren Fehler, der Potsdam in Wirklichkeit ist, nicht zugeben zu müssen, sie dient aber auch als Sperre dafür, die notwendigen Schritte zu unternehmen, das Problem im wesentlichen auszuräumen.

Als Allheilmittel für alle deutschen verwaltungstechnischen Krankheiten vorgebracht, wurde der wirtschaftliche Anschluß so vieler Zonen wie möglich das Hauptziel unserer Zonenbeamten. Indem sie versuchten, französischen und russischen Widerstand zu brechen, boten sie an, das Reich in eine Anzahl zusammengeschlossener Staaten zu zerteilen und eine Entwaffnung für die Dauer von 25 oder sogar 40 Jahren zu garantieren. Nachdem dieses Angebot abgelehnt wurde, weil es vollkommen unzulänglich sei und zum Krieg führen würde, boten sie an, die amerikanische Zone wirtschaftlich "mit einer, zwei oder drei anderen Zonen" zusammenzulegen."[24] Als er dieses Angebot machte, bemerkte Oberbefehlshaber General McNarney von der Amerikanischen Militäterregierung:

Die Regierung der Vereinigten Staaten schlug diese Vereinbarung vor, weil sie glaubt, daß Deutschland nicht mehr länger in vier luftdichten Abteilungen ohne freien Wirtschaftsverkehr verwaltet werden kann, ohne daß als Ergebnis eine Lähmung eintritt. Die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht bereit, einer schleichenden fortschreitenden wirtschaftlichen Lähmung zuzusehen, wenn es möglich ist, eine wirtschaftliche Einheit zwischen seiner und jeder anderen Zone in Deutschland, als Vorstufe zu einer Wirtschaftseinheit für ganz Deutschland zu erreichen.[25]

Wenn auch Rußland und Frankreich den Vorschlag ablehnten, Großbritannien nahm ihn an, und damit wurde die Aufgabe in Angriff genommen, die Britische und die Amerikanische Zone wirtschaftlich zu vereinigen.

Wenn auch ein solcher wirtschaftlicher Zusammenschluß gemacht werden kann, sogar ohne Vorhandensein einer politischen Einheit, was zweifelhaft ist, wäre das aber nur ein kurzer Schritt auf einem langen Weg, der gegangen werden muß, bevor eine substantielle dauernde Verbesserung von Deutschlands Elend erreicht werden kann. Andererseits teilt der Zusammenschluß das Reich zwischen Ost und West und verstärkt und verbittert den Konflikt zwischen beiden.


Anmerkungen

[1]Hal Foust, Berlin, 5. Juli 1946, Chicago Tribune Press Service
[2]Edd Johnson, Berlin, 30. April 1946, Chicago Tribune Press Service
[3]Hal Foust, Berlin, 2. Juni 1946, " " "
[4]Hal Foust, Berlin, 4. Mai 1946, " " "
[5]John Fisher, Washington, 22. Aug. 1946, " " " zitiert Prof. Jas. K. Pollock
[6]Associated Press, Berlin, 31. August 1946
[7]Wie Nr. 6
[8]Hal Foust, Berlin, 27. April 1946, Chicago Tribune Press Service
[9]Hal Foust, Berlin, 23. Juli 1946, " " " zitiert Max H. Forester, Leiter der Abt. Kohle u. Bergbau der AMG
[10]Hal Foust, Berlin, 17. Juli 1946, Chicago Tribune Press Service
[11]Hal Foust, Berlin, 29. Juli 1946, " " "
[12]Hal Foust, Berlin, 26. Febr.1946 " " "
[13]Reuters, Frankfurt/M., Deutschland, 16. Dez. 1945
[14]Edward p. Morgan, Berlin, 12. März 1946, Chicago Daily News Foreign Servie
[15]Jack Bell, Berlin, 12. Juli 1946, Chicago Daily News Foreign Service
[16]Associated Press, Herford, Deutschland, 9. Sept. 1946
[17]Hal Foust, Berlin, 21. Sept. 1946, Chicago Tribune Press Service
[18]John Elliott, Berlin, 2. Juni 1946, Special für The Chicago Sun
[19]Hal Foust, Berlin, 3. Juni 1946, Chicago Tribune Press Service
[20]James P. Warburg, New York, The Chicago Sun, 8. Aug. 1946
[21]Karl H. von Wiegand, Paris, 3. Aug. 1946, Chicago Herald-American
[22]Wie Nr. 20
[23]Edward P. Morgan, Berlin, 25. Mai 1946, Chicago Daily News Foreign Service
[24]Associated Press, Berlin, 21. Juli 1946
[25]Hal Foust, Berlin, 20. Juli 1946, Chicago Tribune Press Service

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