Turbulenzen am ersten Tag
des 1. Berliner Auschwitzprozesses


Staatsanwalt angezeigt – Fortsetzung 6. April



Am 16. März 2009 wurde vor dem Landgericht Berlin die zweite Instanz des 1. Berliner Auschwitzprozesses mit den Auschwitzprozeßführern Rainer Link, Karl-Heinz Panteleit und Gerd Walther eröffnet. Der Tag verlief recht turbulent. Gleich zu Beginn wurden die Angeklagten massiv von Staatsanwalt Krüger genötigt, bedroht und beleidigt, falls diese sich sachgerecht zur Bezugstat des § 130 BRD-StGB äußern würden. Auch der vollbesetzte Saal wurde von Krüger in unerträglicher Art und Weise attackiert, so daß schließlich dem ehemaligen DDR-Dissidenten K. H., der sich sicherlich an seine DDR-Stasizeit erinnert fühlte, der Kragen platzte und sich lautstark bei der ihren Namen verschweigenden Richterin beschwerte. In der Mittagspause wurde schließlich Staatsanwalt Krüger wegen Beleidigung der Öffentlichkeit angezeigt.

Wie nicht anders zu erwarten, versuchte Richterin Unbekannt die Angeklagten zunächst auf das juristische Nebengleis der Flugblattverteilung an sich zu führen, um von der Hauptfrage eines jeden Auschwitzprozesses, der Bezugstat „Nationalsozialistische Verbrechen“, auch „Holocaust“ genannt, abzulenken. Das ist ihr aber trotz Androhung einer Verschärfung des erstinstanzlichen Urteils nicht gelungen.

Der erste Antrag des Tages wurde von Gerd Walther gestellt, nämlich der „Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen eines nicht zu behebenden Verfahrenshindernisses gemäß § 260 (3) StPO“. In diesem machte Walther dem Gericht klar, daß sein Recht, zu jeder Zeit einen Anwalt seines Vertrauens nach § 137 (1) StPO einzuschalten, in Holocaustprozessen durch die Unrechtspraxis der letzten Jahre unter Hinweis auf die Verurteilungen der Rechtsanwälte Ludwig Bock, Jürgen Rieger, Horst Mahler und Sylvia Stolz praktisch außer Kraft gesetzt worden ist mit dem Ergebnis, daß er, Walther, jetzt hier vor dem Landgericht ohne Anwalt dastehe. Der Antrag wurde im Laufe des Tages zwar abgelehnt, dürfte aber vor dem kommenden Revisionsgericht von Bedeutung sein.

Die erste Einlassung erfolgte durch Karl-Heinz Panteleit. Zunächst mußte er sich jedoch sein Rederecht erkämpfen, weil Richterin Unbekannt behauptete, daß eine vorher ausgearbeitete Einlassung nicht abgelesen werden dürfe. Panteleit machte jedoch der Richterin klar, daß bei einem solch großen Komplex wie dem Holocaust eine exakte Vorbereitung notwendig sei. Man einigte sich schließlich nach hartem Wortgefecht, daß die mitgebrachte Ausarbeitung zwar als Grundlage für die Einlassung verwendet, aber nicht direkt abgelesen werden durfte.

Panteleit legte in mehreren Stunden dar, warum er politisch aktiv ist, warum er zu Unrecht verfolgt wird und warum er einen Freispruch erwartet. Dabei verglich er sein Handeln mit dem Handeln von deutschfeindlichen Elementen, die beispielsweise skandieren dürfen „Bomber Harris do it again“, ohne daß Staatsanwalt Krüger dagegen einschritt.  Darüber hinaus verglich er aber auch sich mit Fritjof Meyer, dessen Text im wesentlichen den Angeklagten zur Last gelegt wird, aber nicht angeklagt worden ist und stellte insoweit eine Ungleichbehandlung vor Gericht fest. Nicht nur aus diesem Grunde sei § 130, der im übrigen weder das Deutsche Volk noch Teile davon schützt, grundgesetzwidrig.

Alles in allem plädierte Karl-Heinz Panteleit in seiner Einlassung für die Freiheit - für sich selbst, für seine Mitangeklagten und für das ganze Deutsche Volk.

Danach bat die Richterin Gerd Walther zu einer Stellungnahme. Dabei war nicht ersichtlich, in welchem prozessualen Stadium – Einlassung, Beweisaufnahme, Plädoyer, Schlußwort – man sich dabei eigentlich befand. Es bildete sich im Laufe der Zeit eine Art Mischmasch von allem heraus. Anfangs stellte Walther aus gegebenem Anlaß den Antrag, während seiner Einlassung, bei der Beweisaufnahme sowie bei seinem Schlußwort die Öffentlichkeit auszuschließen. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, gleichwohl wurde aber unmittelbar danach – und das war der Witz des Tages – die Öffentlichkeit von der Richterin ausgeschlossen und der Saal geräumt. Nach einer späteren Pause wurde die Öffentlichkeit wieder neu aufgerufen, aber nach Gesichtskontrolle wieder herauskommandiert. Richterin Unbekannt schuf sich somit ihre eigene, eine Art Politisch Korrekte Öffentlichkeit bestehend aus niemandem.

Danach entwickelte sich praktisch ein Zwiegespräch zwischen der Richterin und Walther, wobei Walther erst nicht interessierte, was die Richterin interessierte und umgekehrt. Als allerdings die Frau Richterin nichts ahnend etwas zum „Äußeren Sachverhalt“ wissen wollte, konnte Walther endlich zum eigentlichen Thema des Prozesses kommen, nämlich der Bezugstat des § 130 (3) BRD-StGB „Nationalsozialistische Verbrechen“. Da Walther davon ausging, daß die Schöffen gar nicht wissen, was eine Bezugstat ist, erläuterte er das an dem Beispiel Klaus Wowereits: Falls er, Walther, beschuldigt wurde, Beihilfe zum Mord an Klaus Wowereit begangen zu haben, er aber beweisen konnte, daß Wowereit noch vor einigen Tagen auf der „Loveparade“ lebend gesehen wurde, hätte man ihn wegen Beihilfe zum Mord freigesprochen. Einen solchen Beweis lassen aber die Gerichte bei Holocaustprozessen widerrechtlich nicht zu. Das den Schöffen noch weiter zu erläutern, wird Hauptthema beim nächsten Verhandlungstag sein, nämlich am

Montag, den 6. April 2009 um 11.00 Uhr
im
Landgericht Berlin
Turmstraße 91
10559 Berlin
im
Saal 729.

Gerd Walther
(Auschwitzprozeßführer und Berichterstatter)


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