"Der Mann, vor dem sich der "Spiegel" (nicht) fürchtet."

Ein sehr lesenswerter, intelligenter und mutiger Kommentar zum Spiegel-Interview mit Ahmadinedschad

Publiziert im Magazin "eigentümlich frei", Ausgabe Nr. 65, September 2006

"Der Mann, vor dem sich der "Spiegel" (nicht) fürchtet."
- Ein Interview, das Geschichte schrieb.
Von Kaspar Rosenbaum

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wuchs in einfachen Verhältnissen auf als eines von sieben Kindern eine Schmieds. Dabei ist er hochintelligent. 1975 nahm er an den landesweiten Universitätseingangsprüfungen teil und erreichte den 130. Platz unter vielen Zehntausenden Mitstreitern. Der promovierte Bauingenieur ist ähnlich wie Russlands Präsident Putin den meisten westlichen Politikern intellektuell haushoch überlegen. Auch deshalb fürchten sie ihn und verweigern schon mal das Gespräch. Spitzfindige Briefe an Merkel oder Bush werden lieber erst gar nicht beantwortet, da man sich der Diskussion mit dem gewitzten und schlagfertigen Teheraner Ex-Bürgermeister nicht gewachsen glaubt.

Der Mann, vor dem "taz" und "Welt" sich fürchten.

Im Frühjahr hat er einen eindrucksvollen ersten Beweis seines Könnens darin abgelegt, den Westen an seiner Achillesferse zu packen und ihn in seinem wunden Punkt vorzuführen. Der "Karikaturen-Streit" tobte und viele westliche Politiker und ihre Mainstreammedien schworen die ach so "westliche Meinungsfreiheit". Von "Welt" bis "taz" druckte man höchst "mutig" die Mohammed-Karikaturen nach und fühlte sich seiner Sache als einer Achse des Guten sicher und moralisch überlegen. Bis Präsident Mahmud Ahmadinedschad plötzlich selbst zu einem Karikaturenwettbewerb aufrief und Gewinnern Goldmünzen auslobte. Das Thema sollte diesmal nicht Mohammed sein, sondern der Holokaust. Er sei gespannt, so Ahmadinedschad, ob die westlichen Medien diese Karikaturen auch drucken würden, ob sie also wirklich für Meinungsfreiheit stritten. Dabei weiß er nur zu gut, dass Autoren oder Zeichner solcher Karikaturen in Deutschland oder Österreich, aber auch in Belgien, Frankreich oder Polen, sofort im Gefängnis landen und wie Schwerverbrecher behandelt würden.

Seit diesem Coup hat Ahmadinedschad, der selbst mit Freiheit kaum etwas am Hut hat, ja im Gegenteil durch und durch ein Kollektivist ist, sein Lieblingsthema in der Auseinandersetzung mit westlichen Politikern und Medien gefunden. Er hat die wunde Stelle entdeckt und bemerkt, dass sie wohl noch waidwunder ist, als er es schon ahnte.

Vom Erfolg der Taktik überwältigt, lud Ahmadinedschad zum Entsetzen der westlichen Politiker und Mainstreammedien zu einer Holokaustkonferenz ein. Als Tony Blair darüber Unverständnis äußerte, lud er ihn persönlich ein, doch teilzunehmen und seinen Standpunkt auf der internationalen Konferenz mit einzubringen. Daraufhin erwiderte Blair, Ahmadinedchad möge doch mal lieber nach Auschwitz gehen und sich das Lager ansehen. Worauf Ahmadinedschad erst seinen wirklichen Coup landete:

Ja, er würde ja gerne kommen. Und dabei wolle er dann gleich ein Team unabhängiger Wissenschaftler mitbringen, zwecks Begutachtung.

Der polnische Außenminister beeilte sich danach anzumerken, es sei "ausgeschlossen, dass irgend eine iranische Untersuchungsgruppe die Erlaubnis bekommt, das Ausmaß des Holokausts auf polnischem Boden zu untersuchen".

Wie Politiker Zweifel am Holokaust nähren.

Ahmadinedschad führt sie alle vor, weil er weiß, dass über dieses Tabu in Europa und in den USA nicht diskutiert und nicht geforscht werden darf. Also wurde das Thema nicht kommentiert, sondern allenfalls in kleinen Teilen kurz vermeldet. Doch erstmals erfuhr auch so eine breitere Masse, dass Wissenschaftler, wie unseriös auch immer sie sich gebärden, für ihre Untersuchungen eingesperrt werden, dass Historiker für abweichende Meinungen abgeurteilt werden und dass weitere Untersuchungen "ausgeschlossen" sind.

Wieviele Menschen mögen dadurch inzwischen Zweifel an der offiziellen Holokaustgeschichte gewonnen haben? Eigentlich Grund genug, dieses Tabu im Westen endlich zu hinterfragen und eine freie Diskussion zu erlauben, damit nicht noch mehr Wasser auf die Mühlen der sogenannten Holokaustleugner fließt. Doch Mut schreibt man sich zwar gerne unter Journalisten oder Politikern zu, nur kaum einer hat ihn. Und deshalb werden solche Fragen allenfalls in einer eigentümlich freien Zeitschrift diskutiert. (Anmerkung: Name der Zeitschrift, der dieser Artikel entnommen ist)

Ahmadinedschad jedenfalls hatte allen gezeigt, wozu er fähig ist und wie er Menschen mit Hilfe dieses Tabuthemas Holokaust vorführen kann. Das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" schlug im Mai dennoch alle Warnungen in den Wind und ließ sich auf ein Interview mit Ahmadinedschad ein - vermutlich unter der Vorgabe, den kompletten Gesprächsverlauf exakt so zu drucken, wie er stattfand. Gleich drei hochkarätige Redakteure des "Spiegel" reisten nach Teheran - darunter auch der Chefredakteur Stefan Aust. Es sollte nichts schief gehen, man war auf alles gefasst. Was dann entstand, veröffentlicht am 29. Mai 2006 im Zentralorgen der deutschen Mainstreampublizistik, ist schon heute ein Stück Mediengeschichte.

Wohl niemals zuvor wurden ausgerechnet im "Spiegel" seitenlange geschichtsrevisionistische Aussagen gedruckt, die - wie die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knoblauch, anschließend empört hinzufügte - eigentlich "in Deutschland strafbar sind und bestraft werden müssen".

Nun verhält es sich mit dem Mainstreamflaggschiff "Spiegel" und strafrelevanten falschen Meinungen etwa so wie mit den etablierten Parteien und vermeintlich "verfassungsfeindlichen" Aussagen: was bei Bemerkungen unbedeutender Möchtegernpolitiker von Kleinparteien im Verfassungsschutzbericht zitiert wird, ist aus dem Munde von Koch, Steuber, Müntefering oder Wieczorek-Zeul eine "eigenwillige" Aussage. Insofern ist auch das, was im "Spiegel" zu lesen war, und was etwa in der "Jungen Freiheit" zu neuen Lichterketten der Anständigen und zu Verhaftungen geführt hätte, ein "eigenwilliger" Artikel. Wenn nur der iranische Präsident die drei "Spiegel" Spitzenreporter nicht so vorgeführt hätteŠ

Mahmuds Interview mit drei "Spiegel"-Redakteuren.

Es lohnt sich, die wichtige erste Passage des sieben Seiten langen Interviews noch einmal in Revue passieren zu lassen. Von Anfang nämlich führt Ahmadinedschad - und nicht etwa die "Interviewer" - das Gespräch. Der "Spiegel" beginnt locker mit Fußball und erwähnt die Furcht deutscher Politiker vor einem Besuch des iranischen Präsidenten anläßlich der WM in Deutschland. Ahmadinedschad versteht die Aufregung nicht. Also hakt der "Spiegel" nach: "Erst machen Sie Ihre Bemerkungen über den Holokaust, dann kommt die Nachricht, Sie reisen eventuell nach Deutschland - das sorgt für Aufregung. Also waren Sie doch überrascht?"

Hier schlägt Ahmadinedschad erstmals zu:" Nein, in keiner Weise, denn das Netzwerk des Zionismus ist weltweit sehr aktiv, auch in Europa, daher habe ich mich nicht gewundert. Wir haben das deutsche Volk als Ansprechpartner gesehen. Mit Zionisten haben wir nichts zu tun." Er will das "Spiegel"-Trio offensichtlich provozieren und fügt hinzu: "Ich weiß, dass der "Spiegel" ein renommiertes Magazin ist, aber ich weiß nicht, ob Sie die Möglichkeit haben, die Wahrheit über den Holokaust zu veröffentlichen. Sind Sie befugt, alles zu schreiben?"

Schon sind die gängigen Klischees der "Holokaustleugner" bedient: das deutsche Volk als Opfer des "Zionismus" und der Spiegel als willfähriges Organ der "zionistischen Strippenzieher im Hintergrund". Darüber würde sich nun jede andere westliche Zeitschrift mit jedem anderen Gesprächspartner lustig machen. Oder besser so einen Unsinn gar nicht drucken. Aber vor den drei weitgereisten "Spiegel"-Fechtern sitzt der leibhaftige iranische Präsident. Und man ist stolz auf dieses seltene Exklusiv-Interview.

Deshalb reagiert das Trio defensiv: "Ganz sicher sind wir befugt, über die Erkenntnisse der historischen Forschung in den letzten 60 Jahren zu schreiben. Aus unserer Sicht besteht kein Zweifel daran, dass die Deutschen an der Ermordung von sechs Millionen Juden die Schuld tragen."

Da ist es schon, das Kollektivschuldbekenntnis, die intellektuelle Bankrotterklärung. Und da ist sie, die Zahl von sechs Millionen, die man als deutscher Journalist sofort noch einmal festschreiben muß. Und bei Gefängnisstrafe keiner anzweifeln darf. Obwohl genau diese Zahl zuletzt ein leitender Redakteur des "Spiegel", Fritjof Mayer, indirekt angezweifelt hatte. Hinter vorgehaltener Hand bestehen denn auch sehr wohl Zweifel bei seriösen Wissenschaftlern über das straftrechtsbewehrte Dogma der "sechs Millionen" - wohlgemerkt nicht nur bei Holokaustleugnern".

Ahmadinedschad jedenfalls muß ob dieser sofortigen Selbstkasteiung innerlich ein kleines Freundentänzchen aufführen und fügt scheinbar gelassen hinzu: "Nun, dann haben wir eine ganz konkrete Diskussion angeregt. Wir stellen zwei ganz konkrete Fragen. Die erste lautet: hat sich der Holokaust wirklich ereignet? Sie bejahen diese Frage. Also lautet die zweite Frage: wer trägt die Schuld daran? Die Antwort muß in Europa gefunden werden und nicht in Palästina." Doch stopp, der Präsident will zunächst beim Holokaust bleiben und fügt deshalb an: "Erlauben Sie mir, noch auf einen weiteren Punkt einzugehen. Wir sind der Meinung, wenn eine historische Begebenheit der Wahrheit entspricht, wird diese Wahrheit umso mehr ans Tageslicht kommen, ja mehr danach geforscht wird. Wir wollen den Holokaust weder bestätigen noch bestreiten. Wir sind gegen jede Art von Verbrechen an jedwedem Volk, aber wir wollen wissen, ob dieses Verbrechen wirklich geschehen ist oder nicht. Wenn ja, dann müssen diejenigen bestraft werden, die dafür Verantwortung tragen, und nicht die Palästinenser. Warum ist es nicht erlaubt, über eine Tatsache zu forschen, die vor 60 Jahren passiert ist?"

Der erfahrene Stefan Aust und seine Mannen versuchen an dieser Stelle abzulenken und bemerken: "Herr Präsident, mit Verlaub, der Holokaust hat stattgefunden". Ahmadinedachad erwidert: "Wenn es den Holokaust wirklich gegeben hat, dann erlauben Sie doch, dass unparteiische Gruppen aus aller Welt forschen. Warum beschränken Sie die Forschung auf eine bestimmte Gruppe? Ich meine natürlich nicht Sie, sondern die europäischen Regierungen."

Von dieser nun sehr konkreten Frage versucht der "Spiegel" noch einmal wegzulenken: "Bleiben Sie dabei, dass der Holokaust ein Mythos sei?" Ahmadinedschad spielt den Ball zurück: "Ich akzeptiere nur dann etwas als Wahrheit, wenn ich wirklich überzeugt bin. "Der "Spiegel" tappt in die Falle: "Obwohl alle westlichen Wissenschaftler keinen Zweifel am Holokaust hegen?" Ahmadinedshcad kann nun konkreter werden: In Europa gibt es dazu doch zwei Meinungen. Eine Gruppe Wissenschaftler oder Personen, die meistens politisch motiviert sind, sagen, dass der Holokaust stattgefunden hat. Dann gibt es aber die Gruppe jener Wissenschaftler, die eine gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb zum größten Teil inhaftiert sind. Normalerweise fördern und unterstützen Regierungen die Arbeit der Forscher über historische Ereignisse und stecken sie nicht ins Gefängnis."

Aust und seine Untergebenen tun zunächst unwissend: "Wer soll das sein, welche Forscher meinen Sie?" Und Ahmadinedschad landet seinen Coup, indem er dafür sorgt, dass der Spiegel selbst die Revisionisten nennen muß: "Das wissen Sie besser als ich, Sie haben die Liste. Es sind Leute aus England, aus Deutschland, aus Frankreich und aus Australien." Treffer. Und es zeigt sich, dass die "Spiegel"-Reisenden einige Namen der für ihre Meinungen im Gefangnis Inhaftierten gut kennen: "Vermutlich meinen Sie zum Beispiel den Briten David Irving, den Deutsch-Kanadier Ernst Zündel, der in Mannheim vor Gericht steht, und den Franzosen Georges Theil."

Der Zweite Weltkrieg war ein riesiges Verbrechen

Aust und Co. Wissen um die Brisanz und versuchen, das Thema auf Israel zu lenken. Aber Ahmadinedschad setzt noch einen drauf: "Ich glaube, dass heute auch das deutsche Volk der Gefangene des Holokaust ist. Im Zweiten Weltkrieg sind 60 Millionen Menschen gefallen, der Zweite Weltkrieg war ein riesiges Verbrechen. Wir verurteilen all das, wir sind gegen Blutvergießen, und zwar unabhängig davon, ob ein Verbrechen gegen einen Muslim oder gegen einen Christen oder Juden begangen wird. Die Frage aber ist: warum stehen unter diesen 60 Millionen Opfern nur die Juden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit?"

Unerhört und irritierend, weshalb die Spitzenjournalisten sich lieber gleich noch einmal und ein für allemal zur Kollektivschuld bekennen: "Wir als Deutsche können uns nicht von einer speziellen Schuld freimachen, nämlich von der systematischen Ermordung der Juden. Aber vielleicht sollten wir nun doch zum nächsten Thema übergehen.

Um die Tragweite der braven Antworten des "Spiegel"-Trios zu verstehen, lohnt es sich, beim im Sommer verstorbenen ef-Redaktionsbeirat und großen Libertären Gerard Radnitzky nachzuschlagen. Dieser schrieb nämlich im Mai 2003 in dieser Zeitschrift: "Als ich in die BRD einwanderte, kam ich aus den USA, meine akademische Ausbildung hatte ich in Schweden absolviert, und ich dachte, ich käme in ein normales Land. Bei Exoten gibt es Ehrkulturen und Schamkulturen. In der BDR gibt es einen Erbschuldkult: Schuld wird nicht auf Personen bezogen, sondern auf ein Kollektiv, auf das deutsche Volk, sie wird geerbt: Rassismus! Ein Kuriosum, das sich als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln entpuppte. Man würde vermuten, dass Kollektivschuldbehauptungen als Verstoß gegen die Menschenwürde des Individuums strafbar seien. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: in der Bundesrepublik könnte man unter Umständen bestraft werden, wenn man sich gegen die aus "Singularität" abgeleitete Kollektivschuldzurechnung wendet, weil dies eine "Relativierung" impliziere, die gegen die Menschenwürde gerichtet sei. Um das Phänomen zu beschreiben, braucht man Begriffe aus der Psychopathologie und Religionssoziologie. Beim ständigen Insistieren auf Handlungen ihrer Väter- oder Großvätergeneration - ganz unabhängig von ihrem eigenen Tun und Lassen - handelt es sich um nichts anderes als um eine Form der Rassismus: aufgrund "seiner" Vergangenheit ist 'der Deutsche' moralisch minderwertig."

Auch Ahmadinedschad lässt den Rassismus des "Spiegel" nicht durchgehen: "Nein, ich habe eine Frage an Sie. Was für eine Rolle hat die heutige Jugend im Zweiten Weltkrieg gespielt? Warum soll sie Schuldgefühle haben? Warum sollen die Kosten für die Zionisten aus ihrer Tasche bezahlt werden? Wenn Leute damals Verbrechen begangen haben, dann mussten sie vor 60 Jahren vor Gericht gebracht werden. Schluß! Warum muß das deutsche Volk heute dafür erniedrigt werden, dass es im Laufe der Geschichte eine Gruppe von Menschen gab, die Verbrechen begangen haben?"

Der "Spiegel" stammelt: Das heutige deutsche Volk kann nichts dafür. Aber es gibt eine Art Kollektivscham für jene Taten, die unsere Väter oder Großväter in deutschem Namen begingen." Ahmadinedschad, inzwischen souveräner Moderator des "Spiegel"-Gesprächs, fragt relativ gnädig weil formaljuristisch: "Wie kann eine Person, die zur damaligen Zeit gar nicht gelebt hat, juristisch verantwortlich sein?"

Der "Spiegel" auf der Rückzugslinie: "Nicht juristisch, sondern moralisch."

Der Moralismus der Mainstreammedien

Auch hier lohnt es innezuhalten. Der konsequente Liberale Radnitzky hat den "Schuldkult-Rassismus und Moralismus" von Medien wie dem Spiegel wie folgt begründet: "Die Strategie ist zweckrational: wenn es gelingt, bei den Massen ein Schuldbewußtsein zu erzeugen und wach zu halten, dann sind sie fügsam, bereit, Buße zu tun. Und sie sind erpressbar, auch in finanzieller Hinsicht. Cui bono? Interessengruppen, die davon profitieren, sind leicht zu identifizieren. Auch Politiker und Medienmächtige sind an der Massenhysterisierung interessiert, bereits deswegen, weil sie ihnen Gelegenheit bietet, als Moralapostel zu posieren und Opponenten als unmoralisch auszuschalten. Kurz, für alle involvierten Entscheidungsträger ist es zweckrational, das Spiel mitzuspielen."

Nun ist Ahmadinedschad anders als Radnitzky kein Individualist oder Liberaler, weshalb es sich an dieser Stelle mitten im ehrwürdigen "Spiegel" wie folgt in die Herzen der deutschnationalen Kollektivisten spielt: "Warum wird dem deutschen Volk soviel auferlegt? Das deutsche Volk trägt heute keine Schuld. Warum darf das deutsche Volk nicht das Recht haben, sich zu verteidigen? Warum werden die Verbrechen einer Gruppe so betont, anstatt vielmehr das große deutsche Kulturerbe herauszustellen? Warum sollen die Deutschen nicht das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern? Ich habe eine Frage an Sie. Wie lange soll das so weitergehen ? Wie lange, glauben Sie, muß das deutsche Volk die Geisel der Zionisten sein? Wann ist das zu Ende, in 20,50, in tausend Jahren?"

Der "Spiegel stammelt: Wir sind kritisch, wir sind unabhängig, wir lassen jedoch nicht zu, jedenfalls nicht ohne Protest, dass das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird."

Und wieder hat Ahmadinedschad sie da, wo er sie haben wollte: "Ich freue mich, dass Sie ehrliche Menschen sind und sagen, dass Sie verpflichtet sind, die Zionisten zu unterstützen."

Der "Spiegel" fühlt sich wie einst Tony Blair sicher und antwortet: "Das haben wir nicht gesagt, Herr Präsident".

Darauf Ahmadinedschad kurz und schmerzlos: "Sie haben Israelis gesagt."

Man wird wohl nie erfahren, wie viele Leser des "Spiegel" nach Lektüre des Interviews Zweifel am Ausmaß des Holokaust bekamen. Wie viele Leser werden wohl anschließend neugierig auf revisionistischen Internet-Seiten weitergesurft haben? Hunderte? Tausende? Zehntausende?

Das alles lag natürlich nicht in der Absicht der bedauernswerten "Spiegel"-Profis. So wie es nicht die Absicht der Politik ist, durch Meinungsverbote diese abseitigen Meinungen gerade erst interessant zu machen. Kritik muß sich der "Spiegel" dennoch gefallen lassen. Am Tag nach Erscheinen des Interviews sah man sich sogar gezwungen, auf "Spiegel Online" ein wenig zurückzurudern. Hubert Kleiner kommentierte dort das Interview des eigenen Hauses wie folgt: "Wer die aktuelle Ausgabe des Spiegel durchsieht, wird in dieser Woche dort ein Interview finden, das, soweit ich sehen kann, in dieser Form ohne Beispiel ist: ein leibhaftiger iranischer Staatspräsident verbreitet sich per Interview seitenweise über angebliche Ungeklärtheit des Holokaust. Ganz unverhohlen werden dabei die zentralen Argumentationsfiguren wiederholt, die für gewöhnlich zu Haftbefehlen und Verurteilungen führen, wenn sie in der rechtsextremen Szene öffentlich geäußert werden." Der frühere enge Vertraute von Joschka Fischer und heutige Professor für Politikwissenschaft fügt hinzu: Wer öffentlich so redet, bekäme hierzulande nicht Besuch von Redakteuren namhafter Zeitschriften, sondern von der Staatsanwaltschaft."

Die Suche nach dem neuen Hitler

Der iranische Präsident ist wie fast jeder Politiker ein übler Typ, ein Kollektivist und letztlich als Verantwortlicher für Steuerraub auch ein Dieb. Darüberhinaus ist er vermutlich auch ein hasserfüllter Antisemit. Und doch ist er genauso wenig ein neuer Hitler (Charlotte Knoblauch) wie George Bush (Herta Däubler-Gmelin). Auch die "Holokaustleugner" sind vermutlich alles andere als sympathische Zeitgenossen. Die meisten sind vermutlich einfach widerliche Nazis. Und doch hat zum Beispiel der in Mannheim inhaftierte "Holokaustleugner" Germar Rudolf eine kleine Tochter, welcher von der deutschen Justiz der Vater entrissen wurde und welche nun bis zu seiner Freilassung in einigen Jahren von ihrer Mutter alleine großgezogen werden muß. Und das nur, weil ihr Vater eine amtlich nicht genehme Meinung äußerte.

Es wird Zeit, dass Leuten wie Ahmadinedschad das Handwerk gelegt wird. Nicht durch ein weiteres Interview im "Spiegel". Der hat sich genug blamiert. Sondern durch wirkliche Meinungsfreiheit in Deutschland.

David Schah formulierte es in dieser Zeitschrift bereits im Dezember 2005 wie folgt: Wenn ein Liberaler die Meinungsfreiheit ausgerechnet derjenigen verteidigt, die er für moralisch verkommen und deren Ansichten er für gemeingefährlich hält, dann basiert das auf dem Grundsatz, dass meine Freiheit auch immer die Freiheit der Andersdenkenden ist. Sobald man dieses Prinzip durch Staat und Justiz auch nur ausnahmsweise außer Kraft setzen will, weil einem eine bestimmte Ansicht zuwider ist, stellt man auch seine eigene Meinungsfreiheit auf tönerne Füße."

Ahmadinedschad hat die tönernen Füße laut vernehmlich im "Spiegel" zerschlagen.

Es ist nun an der Zeit, die Scherben aufzusammeln und wegzufegen. Oder noch einmal in den Worten von David Schah: "Eigentlich sollte ein Aufschrei zugunsten der Meinungsfreiheit für jedes freie Presseorgan eine Selbstverständlichkeit sein." Der "Spiegel" jedenfalls hätte sich so einige Peinlichkeit erspart.

Oder war das Interview ganz versteckt und (hinter)listig genau dieser Aufschrei? Wollten die Erben Augsteins nur aufzeigen, wie beschränkt doch die tabuisierte Diskussion ist? Zuzutrauen wäre so etwas unter allen Mainstreammedien nur dem Spiegel unter Stefan Aust - er hat schließlich schon einige ähnliche Tabus in den letzten Jahren geschliffen. Dann allerdings würde dem "Spiegel" Hochachtung gebühren. Ein Meilenstein in der deutschen Mediengeschichte ist das Interview so oder so.