"Eine Katastrophe": So nennt das US-Außenministerium
jetzt den Holocaust

Quelle:  Die WELT

15. August 2007, 13:07 Uhr
Von Christina Neuhaus

Die Informationen über Deutschland auf den Internetseiten des US-Außenministeriums waren in die Kritik geraten: Das Ausmaß und die Motive des Holocausts seien nicht korrekt dargestellt, protestierte das Simon-Wiesenthal-Zentrums. Jetzt hat das Ministerium den Eintrag überarbeitet.

"Eine Katastrophe": So nennt das US-Außenministerium jetzt den Holocaust. Im Bild ein Massengrab nahe dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau Rabbi Marvin Hier ist zufrieden. "Ich freue mich, daß das US-Außenministerium die Mängel in seinen Hintergrundinformationen über Deutschland erkannt hat", erklärt der Gründer und Vorsitzende des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Die Neufassung gebe "das Ausmaß der Verbrechen gegen Juden während des Holocausts korrekt wieder."

Anfang August hatte Hier dem Außenministerium schwere Vorwürfe gemacht. Dessen Internetseite stellt zu allen Ländern der Welt, darunter auch Deutschland, so genannte "background notes"(Hintergrund-Informationen) zur Verfügung. Im Falle Deutschlands waren die wenigen Sätze über die Zeit des Nationalsozialismus nach Hiers Geschmack deutlich zu knapp ausgefallen. In einem Brief an Außenministerin Condoleezza Rice bemängelte er, daß in dem Artikel weder das Ausmaß noch die Motive des Holocausts dargestellt würden. Dies sei beleidigend.

In der damaligen Version des Textes war nur an zwei Stellen überhaupt auf die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf jüdische Bürger eingegangen worden: Die NSdAP habe viele Probleme Deutschlands den Juden und nicht-deutschen Ethnien angelastet. Weiter hinten im Text hieß es, nach der Machtergreifung Hitlers habe das Nazi-Regime sofort jüdische Oppositionelle und andere Personen inhaftiert und ihnen die politischen Rechte entzogen. Die Worte "Holocaust" und "Shoah" kamen im Text nicht vor, ebenso fehlte eine Zahl der getöteten Juden oder anderer Opfer des Nationalsozialismus'.

Bei den Texten über andere Länder würden Verbrechen in der Vergangenheit weit klarer dargestellt. Es sehe so aus, als ob Deutschland nicht verletzt werden solle, sagte Rabbi Hier damals in einem Telefoninterview. Die Abteilung für Europäische Angelegenheiten im State Department, die die im Juli zuletzt aktualisierten Informationen zusammengestellt hatte, teilte mit, es sei keineswegs die Absicht gewesen, den Holocaust zu verharmlosen. Dennoch erklärte man sich zu einer Überarbeitung bereit.

"Eine Katastrophe, bekannt als Holocaust"

Vor wenigen Tagen hat nun das State Department die neue Version des fraglichen Abschnitts ins Web gestellt - sie ist etwa doppelt so lang wie die alte. Unter anderem heißt es jetzt: "In einer Katastrophe, die im Allgemeinen als Holocaust oder Shoah bekannt ist, wurden etwa sechs Millionen Europäische Juden aus Deutschland und aus von den Nazis besetzten Ländern in Konzentrationslagern und an Hinrichtungsstätten an der Ostfront ermordet."

Erwähnt werden in dem Artikel jetzt auch die Nürnberger Gesetze, die allen Juden in Deutschland "nach und nach die politischen Rechte und auch die ökonomische Grundlage" entzogen und "die systematische Plünderung jüdischer Besitztümer im gesamten von den Nazis besetzten Gebiet bereits erahnen ließ".

Für die Neuformulierung des Textes setzten sich Mitarbeiter des State Departments mit Experten des Simon-Wiesenthal-Zentrums zusammen. Allerdings sind neben einer stärkeren Berücksichtigung der Juden jetzt auch erstmals andere Opfergruppen explizit erwähnt: Hitlers Schergen hätten eine "Kampagne der ethnischen Vernichtung gegen Europas Roma/Sinti" ausgeführt und Tausende Homosexuelle, geistig Behinderte und Oppositionelle" ermordet.