Prince Eugen, der edle Ritter

(von Armin Preuß)


Er war klein von Gestalt, sein Gesicht eher häßlich als edel. Von seinem Herrscher, dem eitlen, schönheitsdürstigen Sonnenkönig, widerfuhr ihm statt wohlwollender Förderung nur Verachtung. Aber dieser "schwächliche Gnom" sollte einst als Retter des Abendlandes vor der Türkenflut aus dem Osten in das Album der großen Heroen und Staatsmänner der Geschichte eingehen als der "heimliche Kaiser des Reiches", wie Friedrich der Große ihn einmal genannt hat.

Prinz Eugen von Savoyen wurde am 18. Oktober 1663 im Palais Soisson, einem Palast der Könige von Frankreich, geboren. Seine Mutter war die geistvolle Olympia Mancini, eine Nichte Mazarins, des allmächtigen Nachfolgers von Kardinal Richelieu. In ihrer Jugend war sie die Gespielin des fast gleichaltrigen Ludwig XIV. gewesen. Sie wurde auch seine erste Geliebte. Eine Meisterin im Wechselspiel der am Hof von Versailles gängigen Kabalen und Intrigen, wußte sie sich auch nach ihrer Vermählung mit dem Prinzen von Savoyen-Carignan die Gunst Ludwigs zu erhalten, der sie zur Obersthofmeisterin machte. Durch die Verstrickung in eine Giftmordaffäre verscherzte sich Olympia die Gunst des Königs. Als Eugen gerade 17 Jahre alt war, sah sie sich gezwungen, vermutlich mit stillschweigender Duldung Ludwigs, über Nacht in die Niederlande zu entfliehen.

Eugen war der jüngste von fünf Söhnen. Wie beim in rauschenden Festen und Lustbarkeiten schwelgenden Hofe damals üblich, hat sich die Mutter um ihre Kinder wenig gekümmert. Liselotte von der Pfalz, die Schwägerin des Königs, berichtet, daß Eugen wie ein Gassenjunge herumgelaufen sei. Dem Brauch der Zeit entsprechend, war er als Jüngster für den geistlichen Stand bestimmt. Früh erhielt er den Titel "Abbe von Savoyen",` und neben der Tonsur mußte er sogar geistliche Kleider tragen. Für einen begabten jungen Mann, der schon als Kind von kriegerischem Ruhm träumte (in Adelskreisen seinerzeit die natürlichste Sache der Welt) und dessen Vorbild Alexander der Große war, eine unerträgliche Demütigung!

An eine seinem Ehrgeiz entsprechende Karriere in französischen Diensten war für "Le Petit Abbe", wie Ludwig ihn geringschätzig nannte, nicht zu denken. Von seinem König zurückgestoßen, entschloß Eugen sich, zusammen mit einem Freund, Frankreich den Rücken zu kehren und in die Dienste Kaiser Leopolds I. zu treten, ein Entschluß, der ihm um so leichter fiel, als die Savoyischen Herzöge noch in einer Art Lehnsverhältnis zum deutschen Kaiser standen.

Es war damals unter der adligen Jugend Europas große Mode, sich "im Dienste der Christenheit" am Abwehrkampf gegen die türkische Bedrohung zu beteiligen. Doch Ludwig schätzte es nicht, daß seine Untertanen sich unter die Fahnen des Kaisers scharten. Er ließ die Rheingrenze für die Flüchtigen sperren und verbot bei Todesstrafe jegliche Hilfe beim Übersetzen über den Strom.

Die Flucht nach Wien


Ludwigs Befehl kam zu spät. Mittellos, aber mit dem Vorzug erlauchten Geblütes, traf Eugen als 20-Jähriger in Wien ein. Durch die Fürsprache seiner beiden Vettern, Markgraf Hermann von Baden, damals Hofkriegsratspräsident, und dessen Bruder Ludwig von Baden, dem späteren "Türkenlouis", wurde der Kaiser bewogen, Eugen als Volontär in sein Heer aufzunehmen. Weder der Kaiser noch Eugen ahnten damals, daß mit diesem Schritt eine Sternstunde der deutschen Geschichte angebrochen war, und daß Prinz Eugen dem nächsten halben Jahrhundert seinen Stempel aufprägen würde. Ludwig hatte Frankreichs Chance verspielt. Dafür sollte Kaiser Leopold in Eugen den getreuesten und fähigsten Diener seines Reiches finden.

In seinem Bewerbungsschreiben an den Kaiser führt der Prinz aus: "Ich versichere Euch, allergnädigster Kaiser, meiner unverbrüchlichen Treue, und daß ich all meine Kraft, all meinen Mut und notfalls meinen letzten Blutstropfen dem Dienst Eurer Kaiserlichen Majestät . . . widmen werde." Mit diesem Schwur, den Eugen bis zu seinem Tode gehalten hat, wurde nach Alfons von Czibulka, "die erste Seite jenes Bandes der Geschichte aufgeschlagen, den man ohne Übertreibung Österreichs Heldenzeitalter nennen darf."

Schon bald sollte der junge Prinz zeigen, was in ihm steckte. Wegen seiner Tapferkeit vor dem die Tore Wiens belagernden Türkenheer überreicht ihm Herzog Karl von Lothringen, der Befreier Wiens, ein paar goldene Sporen. Eugen hatte überall, wo es am heißesten zuging, "wie ein gereizter Löwe" gekämpft. Und er faßte den festen Vorsatz, dereinst zu zeigen, "daß er wohl klein an Gestalt, aber groß an Seele und Geist, wohl schwächlich an Körperkraft, aber riesenhaft an Tapferkeit, wohl an Jahren fast noch ein Knabe, aber an Heldenmut ein ganzer Mann sei zum Wohle des Reiches deutscher Nation."

Mit 20 Jahren Regimentskommandeur


Auf die Fürsprache des Lothringers sowie eines weiteren Vetters, des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, wird Eugen mit 20 Jahren zum Oberst eines durch den Tod seines Kommandeurs freigewordenen Dragonerregiments ernannt. Schon bald machen die Savoydragoner durch eine Reihe ungewöhnlicher Waffentaten von sich reden, insbesondere durch des Prinzen Handstreich gegen das Berglager von Harsan. Gleich zu Anfang seiner militärischen Karriere beweist er seine Neigung zu unorthodoxer Kriegführung. Gegen alle Reiterregeln führt er seine abgesessenen Dragoner, immer vorn an der Spitze, zu Fuß gegen die feindlichen Schanzen.

Die Flucht vom Versailles Ludwig XIV. zum Wiener Hof war für Eugen anfangs keineswegs ein glanzvoller Wechsel. Neben dem strahlenden Sonnenkönig wirkte der feinfühlige, gebildete und kindlich-fromme Leopold unbeholfen und "voller Zweifel an sich und der Welt". Der mit ewigen Finanznöten ringende Kaiser hatte sich neben der ständigen Bedrohung durch türkische Aggressionen gegen die brutalen Raubgelüste seines französischen Nachbarn zu wehren. Die gemeinsamen Ambitionen von Türken und Franzosen hatten sich wie ein lebensbedrohender Würgegriff um das Herz Europas gelegt. Ähnlich wie im 30-jährigen Krieg war Deutschland in Gefahr, das Schachbrett zu werden, auf dem fremde Mächte ihr Spiel trieben. Eine gewaltige Zange, von Versailles und Stambul ausgehend, drohte das Habsburger Reich zu erdrücken.

Die Bedrohung von Versailles


Über 200 Jahre war Österreich in einen Abwehrkampf gegen osmanische Welteroberungspläne verwickelt, wie auch vorher schon die deutschen Lande ein Bollwerk für Europa gegen die Stürme aus den Tiefen Asiens gewesen waren.

In dieser für Deutschland und die Christenheit tödlichen Gefahr hatte Ludwig auf Drängen des Papstes Innozenz XI. die Bereitstellung eines Heeres gegen die Türken versprochen. In Wirklichkeit stachelte er jedoch durch Geld und Versprechungen bei der Hohen Pforte die Türken zum Angriff auf die kaiserlichen Erblande an. Statt dem Kaiser die versprochene Hilfe zu geben, wartete der "allerchristlichste König" sehnsüchtig auf die Eroberung Wiens durch den Großwesir Kara Mustapha. Der Fall Wiens wäre für ihn die Krönung seiner Raubpolitik am Rhein gewesen. Schon vorher hatte er sich das deutsche Elsaß einverleibt und Straßburg mitten im Frieden überfallen.

Ludwig war ein verschlagener, mit allen Wassern gewaschener Politiker. Die berüchtigten, noch vom Westfälischen Frieden herrührenden und auf den fadenscheinigsten und verlogensten Argumenten beruhenden "Reunionskammern" mußten als Vorwand für seine unersättlichen Ansprüche herhalten. Die Niederlage des deutschen Kaisers im Kampf gegen die Türkenflut hätte ihm die Erfüllung seines Traumes gebracht: die römisch-deutsche Kaiserkrone!

Der friedliebende, den Künsten und Wissenschaften und vor allem der Musik ergebene Leopold war diesem rücksichtslos ehrgeizigen und ränkevollen Rivalen im Kampf um die Vorherrschaft in Europa kaum gewachsen. Wovon Leopold nur träumen konnte, das besaß das Frankreich Ludwigs in überreichem Masse. Frankreich war damals der fort-schrittlichste , reichste und mächtigste Staat Europas. Es verfügte trotz der verschwenderischen Hofhaltung Ludwigs über das stärkste und modernste Heer. Ludwigs Ehrgeiz war, Frankreich in jeder Hinsicht zur dominierenden Macht des Kontinents zu machen. Während die Wiener Hofkammer stets nahe dem Bankrott war, hatte Ludwigs Finanzminister Colbert es durch eine brutale Steuerpolitik verstanden, daß neben den gewaltigen Ausgaben für Hof und militärische Expansion noch bedeutende Summen als Bestechungsgelder für deutsche Fürsten bereitstanden, mit denen man sie vor den Karren Frankreichs spannen konnte! Den Staatseinnahmen Frankreichs unter Colbert von 120 Millionen Gulden standen in Österreich nur 12 Milionen gegenüber, und auch diese 12 Millionen oft nur auf dem Papier.

In Wien legte das aus dem Hochadel rekrutierte innere Kabinett es vor allem darauf an, die Vorrechte von Kirche und Aristokratie unangetastet zu erhalten. Wie diese dem Kaiser die zu seiner Politik notwendigen Finanzen besorgen sollten, war zweitrangig. Zu rückhaltlosem Einstehen und Opfern für die Nation konnten sie sich auch dann nicht entschließen, wenn das Reich in äußerster Gefahr war. Mirko Jelusich nennt sie "die Scharen von Nichtstuern, die ihre Tätigkeit vollendet zu haben glaubten, wenn sie den Staatsrock mit dem Kämmererschlüssel am Hintern angelegt hatten." Nach den Berechnungen des Volkswirts Philipp Wilhelm von Hornigks hätten eine Million zusätzlicher Taler in der Staatskasse Wien die Belagerung durch die Türken ersparen können. Der Prinz, der insgesamt unter drei Kaisern diente, hat es nie erlebt, daß die kaiserlichen Finanzen in Ordnung waren, um eine erfolgreiche Verteidigung des Reiches zu gewähren.

Selbstherrliche, engstirnige und oft verräterische Reichsfürsten hatten dem Kaiser nur einen Bruchteil seiner früheren Macht im Reiche belassen. Diese sich wie der liebe Herrgott auf Erden fühlenden Landesväter waren, ganz im Sinne des von Frankreich stets geschürten deutschen Partikularismus vor allem bestrebt, selbst "Großmacht" zu spielen und nebenbei noch den französischen Hofstaat nachzuäffen.

Auch der "ewige Reichstag" zu Regensburg, auf dem der französische Gesandte das große Wort führte, erging sich in endlosen Debatten, ob man dem Kaiser Gelder für ein Heer gegen das räuberische Frankreich bewilligen solle! In seiner Ohnmacht und Unfähigkeit erinnert er nur zu sehr an den vom Berliner Mutterwitz geprägten Ausdruck "Quasselbude" für den späteren Reichs- oder Bundestag. War man schließlich geneigt, den Kaiser doch zu unterstützen, dann nur um den Kuhhandel, daß man ihm die benötigten Hilfstruppen so teuer wie möglich verkaufen konnte! Diese Herren feilschten noch jämmerlicher als die Landstände um die Bewilligung von Geldern und Truppen.

Die Türken vor Wien


Um dem mit über 200.000 Mann gegen die Reichsgrenzen vorrückenden Heer des Großwesirs entgegenzutreten, hatte der Lothringer ganze 40.000 unter seinen Fahnen. Max Emanuel von Bayern hatte sich nach langem Zögern dazu hergegeben, mit 9.000 Mann in aller Gemächlichkeit anzumarschieren. Kurfürst Johann von Sachsen traf mit 10.000 Mann ein.

Fast alle Reichsfürsten, die sich widerstrebend bereit fanden, einen Beitrag zur Türkenabwehr zu leisten, taten dies nur unter der Bedingung weiterer vom Kaiser abgehandelter Sonderrechte. Die Rettung Wiens war keineswegs einer geschlossenen Abwehrfront seitens der deutschen Fürsten als Gefolgsmänner des Kaisers zu danken, sondern lediglich dem Opfermut und der Tapferkeit der Truppen, die man für diese Entscheidungsschlacht notdürftig zusammentrommeln konnte.

Die Reaktion des Sultans auf die Niederlage seines Heeres ist eine typisch orientalische. Drei Tage lang läßt er seinen Henker wüten. Auch Kara Mustapha wird erdrosselt. Doch trotz des erlittenen Rückschlages sind die Türken keineswegs entscheidend geschwächt.

Mit der zweiten Belagerung Wiens hatte das osmanische Weltmachtstreben seine größte Ausdehnung erreicht. Doch das Osmanenreich ist nicht frei von inneren Schwächen. Kaiser und Papst entschließen sich daher, in einem als "Heilige Liga" zustandegekommenen Bündnis die Türken so weit zurückzuwerfen, daß die Christenheit nicht mehr vor ihnen zu zittern braucht. Wegen der immer leeren Kassen Wiens übernimmt der Papst die Finanzierung der geplanten Operationen.

Das erste Ziel, die Befreiung Budas, wird von Karl von Lothringen nicht erreicht. Die Belagerer haben vielmehr schwere Verluste zu verzeichnen, und Eugen erleidet in den Laufgräben vor der Festung seine erste Verwundung. Insgesamt wird der Prinz in seiner militärischen Karriere neun mal verwundet, vier mal davon als Feldmarschall! Im Herbst 1685 wieder in Wien, wird Eugen von Leopold zum Generalfeldwachtmeister befördert, ein Rang, der etwa dem heutigen Generalmajor entspricht.

Auch bei der zweiten Belagerung Budas kämpft der Prinz mit Auszeichnung. Er hilft einen Ausfall der Türken abblocken. Mitten im wildesten Getümmel mit fanatischen Janitscharen wird ihm sein Pferd unterm Leib erschossen. Er muß von seinen Männern herausgehauen werden. Beim Sturm auf das Schloß wird er zum zweiten Mal durch einen Pfeilschuß in die rechte Hand verwundet. Jordis von Lohausen schreibt von ihm: "Furcht kannte er nicht. Wagnis war sein Leben, Gefahr ein kristallfrisches Bad... was ihm an Kraft fehlte, ersetzte er durch Wendigkeit, Kühnheit, Überraschung."

Am zweiten September wird der Generalsturm befohlen. Buda muß sich den Kaiserlichen ergeben.

Im folgenden Winter lädt Vetter Max Emanuel Eugen zum Karneval nach Venedig ein. Für die höfische Jugend Europas gehören die dortigen Vergnügungen und Laster zum guten Ton. Doch der Prinz beweist schon jetzt jene Selbstbeherrschung, die ihn gegen die Verlockungen von Spielsalons und Kurtisanen immun macht. Statt dessen studiert er eifrig Venedigs berühmtes Waffenarsenal und läßt sich den Guß der Kanonen sowie den Stapellauf eines Kriegsschiffes vorführen. Als "Mars ohne Venus" ist der Prinz bezeichnet worden, obwohl er vermutlich keinem mönchisch-keuschen Leben ergeben war. Im Feldlager äußert er später einmal, daß "im Kriege eine Frau einem lästigen Möbelstück gleicht... er würde seine Pflicht vergessen, weil seine Gedanken bei ihr wären." Die Liebe erschien ihm als "eine jener frivolen Leidenschaften, denen sich ein vernunftbegabter Mann niemals hingeben dürfe." Damit stand er in krassem Gegensatz zu Max Emanuel, diesem "im Frieden wie im Kriege dem Genuß des Augenblicks verschriebenen Barockmenschen."

In der Schlacht von Mohacs 1687 sowie bei der Belagerung und Einnahme Belgrads im Jahre 1688 zeichnet Eugen sich wieder durch Umsicht und Tapferkeit aus. Vor Belgrad erhält er seine dritte und eine seiner schwersten Verwundungen, von der er - zum Wundfieber gesellt sich eine hartnäckige Bronchitis - erst Mitte Januar wieder kuriert ist.

Die Kaiserlichen nutzen ihren Sieg aus und stoßen noch tief in den Balkan vor. Man träumt bereits von der völligen Verdrängung der Türken aus Europa, als im Westen des Reiches die Soldaten des Sonnenkönigs plötzlich den Rhein überschreiten. Ludwigs Ziel: Die Einkreisung des habsburgischen Machtgebietes im Bund mit den heidnischen Osmanen.

Verbrannte Erde im Westen


Ludwig rechtfertigt seine ungezügelte Eroberungspolitik mit den ausgeklügelsten juristischen Spitzfindigkeiten, in denen französische Politiker stets Meister waren. Der Bischof von Straßburg, Wilhelm Egon von Fürstenberg, ist ihm dabei als deutscher Steigbügelhalter behilflich. Ludwig verspricht ihm, daß er auch noch Kurfürst von Köln werden soll. Daneben erhebt Ludwig Ansprüche auf das rheinische Erbe Liselottes von der Pfalz, der Frau seines Bruders, obwohl diese ausdrücklich auf ihr Erbrecht verzichtet hatte. Czibulka bezeichnet es als "eine der großen Sünden Frankreichs gegen das Abendland, daß es immer wieder die kaiserlichen Waffen am Rhein band" und dadurch die Kräfte Wiens so zersplitterte und schwächte, daß es durch die Anstürme aus dem Osten an den Rand der Katastrophe gebracht wurde.

Als der Druck der Gegner Ludwigs auf die Franzosen sich verstärkt, überredet sein Kriegsminister Louvois den König zu einer Strategie der verbrannten Erde. Es entsteht ein Mordbrennerkrieg, der nur mit den Schrecken der alliierten Terrorangriffe des zweiten Weltkrieges auf die schutzlose Zivilbevölkerung vergleichbar ist. Über 2.000 blühende Städte und Dörfer werden von den marodierenden Franzosen ausgetilgt, mehr als 50 Schlösser eingeäschert, die Einwohner des Landes vertrieben. Das alles im strengsten Winter! Plündernd und sengend zieht das französische Kriegsvolk durch die Lande. Worms, Speyer, Mannheim und Heidelberg werden zum Teil dem Erdboden gleichgemacht. In Speyer öffnen die Franzosen die Kaisergrüfte, reißen die Skelette aus den Särgen und spielen mit den Grabkronen in den Straßen. Der mächtige romanische Dom wird eigens mit Möbeln vollgestopft, dann angezündet. Ein französischer Historiker beschreibt später Ludwigs Feldzug als "die grauenhafteste aller Bluttaten."

In den Geschichtsbüchern wird die spätere deutsch-französische "Erbfeindschaft" gewöhnlich auf diese Mord- und Brandpolitik der Franzosen in der Pfalz zurückgeführt. Ein wesentlicher Faktor wird dabei allerdings übersehen. Es war immer und immer wieder England, das diesen deutsch-französischen Gegensatz nach Kräften schürte, um so, ungestört von einem in ewigem Zwist gehaltenen Kontinent seine weltweiten Piraten- und Eroberungszüge zu verfolgen!

Angesichts der Verbrechen der Franzosen in der Pfalz geht ein Aufschrei durch das ganze Reich. Der Kampf gegen den "allerchristlichsten Mars", wie Gottfried Wilhelm Leibnitz ihn höhnisch nennt, wird nun zu einer heiligen Sache. Der weiterschauende und nüchtern urteilende Prinz ist jedoch Gegner dieses Zweifrontenkrieges. Wien hatte versäumt, mit der Hohen Pforte Frieden zu schließen. Hauptverantwortlich für diese, die Kräfte Habsburgs weit überfordernde Zersplitterung sind die geistlichen Berater Leopolds, denen der Kampf gegen die "Ungläubigen" mehr am Herzen liegt als eine realistische, den Sieg garantierende Gesamtpolitik. Mit noch weit tragischeren Folgen verspielen die Deutschen rund zweieinhalb Jahrhunderte später aus ähnlichem ideologischen Eigensinn den Sieg im großen Schicksalskampf des Reiches gegen den asiatischen Bolschewismus!

Der Feldzug am Rhein versandet 1689 in einen Belagerungskrieg von Phillipsburg, Bonn und Mainz. Durch eine Musketenkugel am Kopf erleidet Eugen seine vierte Verwundung, die fünfte im folgenden Frühjahr in Savoyen, Frankreichs Einfallspforte nach Italien. Dort bereiten die Franzosen den verbündeten Savoyern und Spaniern eine schwere Niederlage. Nur durch des Prinzen Mut und überlegene Ruhe kommt ein geordneter Rückzug zustande. Im anschließenden Winterquartier sind seine Truppen einem gnadenlosen Partisanenkrieg ausgesetzt. Man versucht sogar, Eugen zu vergiften. Hier beweist der Prinz, wie hart er sein kann, wenn es die Sicherheit seiner Truppen verlangt. Die von ihm befohlenen Strafaktionen rauben den Guerillas ein für allemal die Lust am Töten aus dem Hinterhalt.

Versorgungsschwierigkeiten und eine unwirtliche Umgebung zehren weiter in diesem unrühmlichen Feldzug an den Truppen des Kaisers. Der Prinz ist verbittert über die Unfähigkeit und Halbherzigkeit des Wiener Hofkriegsrates. Voller Zorn und Verachtung für die verzopften Wiener Hofschranzen schreibt er: "Man denkt nur an Trinken, Essen und Spielen. Die Angelegenheiten des Reiches haben während einiger Stunden den Kaiser beunruhigt, aber Gott sei Dank hat es an dem Tag eine Prozession gegeben, die alles vergessen ließ."

"Wie so oft in der Geschichte dieses Reiches lehnte sich," wie Ernst Trost in seiner Eugen-Biographie schreibt, "ein Fremder, ein Zugereister, gegen den Wiener Schlendrian, gegen diese hochmütige Gleichgültigkeit und Verachtung allem Neuen und Tätigen gegenüber, auf. Eugen verkörpert jene heilsame, schöpferische Unruhe, die kühne Geister aus ganz Europa in der Kaiserstadt erzeugten - als rettende Arznei."

Ernennung zum Feldmarschall


Zum Glück für das Reich erkennt Kaiser Leopold trotz aller Opposition und bösen Verleumdungen unfähiger Widersacher Eugens Qualitäten. Am 25. Mai 1693 unterschreibt Leopold im Schloß Laxenberg das Feldmarschallpatent des Prinzen. Damit ist seine Stellung gegenüber den neidvollen, kleinkarierten Höflingen weiter gefestigt.

In Piemont ist die Lage der Kaiserlichen unhaltbar geworden. Des Krieges müde, wechselt Eugens Vetter Victor Amadeus die Fronten und geht zu den Franzosen über. Verärgert über den Abfall des Familienchefs seines Hauses äußert Eugen: "Eines ist gewiß, daß...die Interessen meines Hauses mich nur einen Augenblick meine Ehre, meine Pflicht vergessen lassen." In Ausübung dieser Pflicht erleben wir den Prinzen bald wieder auf den Schlachtfeldern des Ostens, wo er bei Zenta in Ungarn eine seiner ruhmreichsten Schlachten schlägt.

Fortsetzung hier. . .