Endlich Frieden im Westen


Beim Friedenskongress in Utrecht ist den Franzosen bekannt, daß Eugens Werben um den englischen Bundesgenossen gescheitert ist. Hinter dem Rücken seiner Bündnispartner führt England geheime Verhandlungen mit Frankreich, obwohl es sich nach außen hin weiter als Verbündeter der Allianz ausgibt. Die Verbündeten sehen sich gezwungen, noch einmal zu den Waffen zu greifen. Wieder einmal sucht man die "letzte, entscheidende Schlacht". Doch die englischen Truppen unter dem Herzog von Ormonde haben Anweisung, sich von jeder Aktion fernzuhalten. Mehr noch: Ormonde ist hinterhältig genug, die Kaiserlichen bewußt in eine verderbliche Stellung zu locken. Gleichzeitig verständigt er den französischen Befehlshaber Villars, daß er von den britischen Truppen nichts mehr zu befürchten hat! Ohne diese, für England nicht gerade seltene Niedertracht, wäre Ludwig endgültig zu Boden gerungen worden, und die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.

Trotz des ehrlosen Betrugs der Engländer gelingt es dem Prinzen, tief in Frankreich einzudringen. In Paris herrscht schon Panik. Doch da vollbringt Marschall Villars, von Ormonde über die Pläne der Kaiserlichen bestens informiert, das Wunder von Denain und wird damit zum Retter Frankreichs. Die Holländer - Krämer wie die Engländer - fallen nach dem unglücklichen Ausgang dieser Schlacht ebenfalls ab. Wien fehlt wie immer das Geld, und Eugen muß an französische (!) Geldverleiher herantreten, um für unverschämte Summen Soldaten von unseren Reichsfürsten zu kaufen. So erhält der Landgraf von Hessen-Kassel für ganze zwei Schwadronen 50.000 Gulden. Der Herzog von Sachsen-Gotha für zwei Bataillone und zwei Eskadronen 300.000 Gulden!

Nach über ein Jahrzehnt währenden blutigen Kämpfen und schrecklichen Verwüstungen kommt man endlich überein, einen Frieden zwischen Kaiser und König auszuhandeln. Diesmal sollen ihn nicht die Diplomaten, sondern die Feldherrn zuwege bringen. Am 26. November 1713 treffen sich Prinz Eugen und der französische Herzog Villars im Schloß Rastatt.

Villars verehrt den Prinzen nicht nur als Feldherrn, sondern auch als Menschen. Er ist tief beeindruckt von dem "kleinen, schmächtigen Eugen" , von dessen Bildung, Charakter und diplomatischen Fähigkeiten. Eugen tritt dabei mit dem für seine Zeit ungewöhnlich kühnen Gedanken auf, ein Bündnis oder wenigstens ein Abkommen zwischen Frankreich und dem Reich zustandezubringen. Seltsamerweise ist es ausgerechnet Ludwig, bis dahin der Todfeind des Hauses Habsburg, der diesen Gedanken aufgreift. Leider wird dieser für das Schicksal Europas so fruchtbare Gedanke nicht Wirklichkeit.

Am 7. März setzen die beiden Feldherrn endlich ihre Unterschriften unter den von ihnen ausgehandelten Vertrag. Trotz der militärisch und finanziell schwachen Lage Habsburgs gelingt es dem Prinzen, dank seiner diplomatischen Fähigkeiten und einigem "Pokerspiel", die wesentlichsten Anliegen seines Kaisers zu erfüllen. Karl braucht auf seine spanischen Ansprüche nicht zu verzichten. Österreich hat reiche Gebiete, aber mit diversen Völkern, dazugewonnen.

Der nach wie vor vom Glanz der spanischen Krone geblendete Karl ist dagegen bereit, auf die von den Franzosen geraubten Gebiete im Westen des Reiches zu verzichten. Frankreich behält das Elsaß mit Straßburg, Toul, Metz und Verdun, sogar Landau! Es scheint Karl VI. nicht aufgegangen zu sein, daß die Aufgabe dieser wertvollen und strategisch bedeutenden Reichsgebiete die Franzosen in Zukunft nur zu weiteren Raubzügen animieren wird! Seine Gedanken kreisen weiterhin mehr um seine spanischen Lande als um die Kräftigung der Mitte Europas. Den reichstreuen Prinzen haßt seine spanische Kamarilla begreiflicherweise wie die Pest. Es ist diesen, das Wiener Hofleben hispanisierenden Emigranten zu verdanken, daß die Blicke Karls immer wieder auf seinen unseligen Jugendtraum gelenkt werden, zu Ungunsten des Reiches!

Am meisten jedoch hat das perfide Albion nach diesem langen Krieg gewonnen. Durch den Frieden von Utrecht wird England die führende See- und Handelsmacht der Welt. Neben neuen Kolonien und strategischen Stützpunkten wie Gibraltar und Menorca gewinnt es das enorm lukrative Monopol auf den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien. Die englische Flotte beherrscht die Weltmeere. Englands in den Krieg gepumpte Gelde hatten unwahrscheinliche Zinsen abgeworfen. Für England bedeuteten schon damals europäische Bruderkriege den idealen Zustand, um in fernen Erdteilen auf Beute gehen zu können.

Prinz Eugen wird nach dem Friedensschluß von der Bevölkerung begrüßt wie nach einem großen Siege. Nach Jahren im Sattel, von einem Kriegsschauplatz zum andern hetzend, nach Strapazen und Verwundungen, will er sich nun endlich der verdienten privaten Ruhe hingeben. Auf ihn wartet das von Meister Hildebrandt im weiteren Ausbau befindliche Prachtschloß Belvedere, ein würdiger Wohnsitz für diesen großen Freund der Künste und Wissenschaften.

Neuer Kampf gegen die Türken


Eugens Muße soll nicht lange währen. Während des Spanischen Erbfolgekrieges, der die Kräfte des Kaisers voll in Anspruch nimmt, sind die Türken zum Glück noch zu schwach, um die Bedrängnis des Reiches durch Franzosen und Kurutzen auszunutzen. Doch im Jahr 1716 glauben sie sich von den früheren Niederlagen genügend erholt. Sie wollen Rache an den verhaßten Christen nehmen und gleichzeitig ihre unruhigen Hilfsvölker beschäftigen, für die Krieg der profitabelste Zeitvertreib ist.

Das türkische Weltreich ist trotz der erlittenen Schläge noch immer ein gewaltiger Koloß. Der Sultan herrscht über drei Kontinente. Kairo, Bagdad und auch Jerusalem sind in türkischer Hand. Schon im Februar 1715 erläutert der Prinz nach gründlichem Studium die bedrohliche Lage. Ein Zehnpunkteprogramm enthält seine Forderungen für die unbedingt notwendige Verbesserung der Armee sowie den Bau einer Donauflotte.

Karl VI. kann sich den Argumenten des Prinzen nicht verschließen. Zu frisch sind die Erinnerungen an die Belagerung Wiens durch die Türken. Es besteht wenig Grund, ihre Kampfkraft zu unterschätzen. Im Kriegsarchiv über die Feldzüge des Prinzen heißt es: "Die (türkischen) Soldaten waren tapfer, gehorsam, fanatisch. Ein grausamer Vernichtungswille beseelte sie, und bald wußten sie wieder wie einst, Schrecken vor sich her zu verbreiten." Der Kampf gegen die Ungläubigen war ihnen zudem religiöse Pflicht. Der Tod auf dem Schlachtfeld sicherte ihnen den Platz im Paradies mit all seinen Freuden.

Ohne Kriegserklärung wälzt sich im Juli 1716 eine türkische Soldatenflut donauaufwärts, insgesamt an die 200.000 Mann, angeführt vom Großwesir Damad Ali. Ihr Ziel ist Peterwardein, das "Gibraltar an der Donau". Nur wenige Kilometer von der Festung entfernt läßt Damad Ali sein Lager aufschlagen.

Ein bewaffnetes Aufklärungsunternehmen der Kaiserlichen hat einen bösen Ausgang. Die Stimmung im Lager Eugens ist gedrückt, die Angriffslust seiner Generäle schwindet angesichts der gewaltigen türkischen Übermacht. Der Prinz kommandiert nicht mehr als gut 60.000 Mann. Zudem sind die Türken im Besitz der vorteilhafteren Stellungen. Die Generäle sind für den Rückzug. Der Prinz hält nichts von einem Kriegsrat. Er ist gewohnt, seine Entschlüsse allein zu treffen, und er befiehlt den Angriff.

Trotz der fanatischen Tapferkeit der Janitscharen gelingt es Eugen, wieder einmal in vorderster Reihe seine Leute anfeuernd, mit seinen gepanzerten Kürassieren die Front der Türken aufzurollen. Der Großwesir fällt durch eine Kugel. Die traurigen Reste seiner Armee fliehen über die Save.

Ein grausiger Fund erwartet die Kaiserlichen im Lager der Türken: "Der Feldmarschallleutnant Graf von Breuner ist bei des Großwesirs Zelt ganz frisch zerhauen mit Eisen an Hals und Füßen, dann verschiedene unserer Leute herum... enthauptet aufgefunden worden," heißt es im Bericht des Prinzen an den Kaiser. Breuner war gefoltert worden! Die Brutalität der Türken unterschied sich wenig von der der späteren Bolschewiken und ihrer Nachahmer...

Die Siegesfeiern in Wien lassen den Prinzen unbeeindruckt. Ihm ist an der Auswertung seines Sieges gelegen. Sein Fernziel ist die Rückeroberung von Belgrad, das 1690 für Habsburg wieder verlorengegangen war. Aber dafür ist seine Armee noch zu schwach. Auch fehlt ihm das unbedingt nötige Schiffsmaterial.

Eugen marschiert anschließend noch in die Ebene am linken Donauufer gen Temesvar, nach Belgrad die stärkste Festung der Türken. Am 12. Oktober läßt der befehligende Pascha die weiße Fahne hissen. Eugen hat dem Kaiser das ganze Banat gewonnen.

Temesvar, das "Klein-Wien", zeigt noch heute Reste seines früheren barocken Wiener Charms. Die von Eugen ins Land geholten Schwaben, die das Land zu einem blühenden Garten machen, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auf grausame Art ausgerottet oder vertrieben. Vornehmlich aus ihren Reihen hatte sich die 7. SS-Gebirgsdivision unter ihrem fähigen Kommandeur Arthur Phleps, einem Siebenbürger Sachsen und ehemaligen k.u.k.Offizier, gebildet. Die Nationalsozialisten hatten zu Ehren des Prinzen dieser Division sowie einem modernen schweren Kreuzer seinen Namen gegeben.

Der Kaiser und auch der Papst überhäufen den Marschall des Reiches nach seinem Siege mit Ehrungen. Der Kaiser wiederholt seine Ermahnungen, Eugen solle sich in Zukunft "weniger exponieren". Er will seinen einzigartigen Feldmarschall nicht durch dessen Tollkühnheit im Kampf verlieren. Eugen hat sich an diese Mahnungen nie gehalten und weiterhin, wo immer notwendig, als mitreißendes Beispiel an der Spitze seiner Truppen gekämpft.

Nach Peterwardein und Temesvar müssen all die Neider Eugens, einschließlich der spanischen Parasiten, für eine Weile verstummen. Der Kaiser kann vom Prinzen überzeugt werden, daß ein Frieden mit den Türken nur dann von Dauer sein kann, wenn Belgrad wieder in seiner Hand ist.

Er ließ schlagen einen Brucken


Im nächsten, den Kampf gegen die Türkenbedrohung entscheidenden Feldzug, kommt es zu jener berühmten Schlacht, die als eine der Großtaten an Feldherrnkunst und an wildem Mut von Feldmarschall, Offizier und Mann in die Geschichte eingegangen ist.

Das Unternehmen unterscheidet sich von anderen auch dadurch, daß es mit der größten Sorgfalt vorbereitet wird. Unter Führung Eugens erleben wir das kaiserliche Heer auf seiner weltgeschichtlichen Höhe. Auch die Hofkasse knausert diesmal nicht mit der Finanzierung. Die Erkundigungen der Befestigungen der zwischen Save und Donau eingezwängten Festung fallen dem Grafen Mercy zu. "Belgrad war Schlüsselpunkt, Pforte, Sperriegel und Damm... zur Beherrschung des Balkans, der Meeresküsten und Istanbuls."

Die Garnison ist gerade mit 30.000 Mann Janitscharen verstärkt und für einen langen Zeitraum mit Proviant aufgestockt worden. Und in Adrianopel steht ein gewaltiges Heer zum Angriff nach Norden bereit.

Die Hoffnung Eugens, dieser Übermacht 100.000 eigene Soldaten entgegenstellen zu können, geht nicht in Erfüllung. Er muß sich mit 70.000 begnügen. Um so mehr Sorgfalt widmet er den technischen Vorbereitungen des Feldzugs. Die Überwindung der beiden Ströme verlangt hervorragende Brückenbauer, dazu eine schlagkräftige Donauflotte.

Die Türken denken nicht einmal im Traum daran, daß der Prinz eine so unorthodoxe Strategie wählen könnte, eine Brücke über die Donau zu errichten. Die Donau ist bei Belgrad sehr breit, aber eine vorhandene Sandbank erleichtert den Brückenschlag.

Ein unbekannter Soldat hat den Verlauf von Belagerung und Einnahme Belgrads in einem Lied besungen, das früher allen Schulkindern bekannt war: "Prinz Eugen, der edle Ritter, wollt, dem Kaiser wied`rum kriegen Stadt und Festung Belgerad. Er ließ schlagen einen Brucken, daß man konnt hinüberrucken mit der Armee wohl vor die Stadt." So heißt es in der ersten Strophe. Rund 150 Jahre später berichtet Ferdinand Freiligrath die Stimmung vor der Schlacht in seinem Gedicht "Zelte, Posten, Werda-Rufer...", von Carl Loewe zu der jedem Musikliebhaber bekannten Ballade vertont.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juni geht es in drei Staffeln an das andere Donauufer. Das Kriegsarchiv berichtet: "Es war ein Moment hoher kriegerischer Begeisterung... Trommelschall und das Spiel der Pfeifen erfüllten die Luft und hoch flatterten die kaiserlichen Fahnen."

Der Brückenkopf wird gebildet, die Kavallerie kann ungehindert über den Strom. Damit ist einer der gefährlichsten Abschnitte des Unternehmens glücklich durchgeführt. Unter dem ständigen Störfeuer der Festung geht Eugen an die Organisation der Belagerung. Er hat es eilig, denn je länger die Belagerung dauert, desto eher kann ihm das Entsatzheer Chalil Paschas in den Rücken fallen.

Der Pascha allein verfügt über die doppelte Streitmacht des Prinzen. Neben der Festungsbesatzung droht noch eine weitere türkische Armee, die vom Banat aus vorstößt, um die Nachschublinien der Kaiserlichen abzuschnüren. Durch einen in seinen Diensten stehenden Spion ist Eugen ziemlich genau über die Bewegungen des Gegners informiert. Wie im Zweiten Weltkrieg Guderian (der dem Prinzen als Stratege und Truppenführer in vieler Hinsicht ähnelt), mißt Eugen der Aufklärung und dem Nachrichtendienst besondere Bedeutung bei.

Vorsorglich hat der Prinz sich gleichzeitig auf Angriff und Verteidigung eingestellt. Denn am 28. Juli künden Raketen und Freudenböller aus der Festung die sich nähernden Spitzen des Entsatzheeres an. Fast täglich hat Eugen nun mit einem Angriff zu rechnen. Schlimmer noch als die Nähe des Paschas ist das aus den Niederungen der beiden Flüsse aufsteigende Sumpffieber. Auch die Ruhr tritt auf, die dieKaiserlichen weiter dezimiert. Dauerkanonaden von der Festung decken die Belagerer von zwei Seiten ein. Der Proviant wird knapp, nachdem die Türken mehrere Versorgungsschiffe gekapert haben.

In Wien ist die Stunde der Schwarzseher wieder gekommen. Sollte es den Türken gelingen, Eugen in die Zange zu nehmen und zu vernichten, so kann man mit einer dritten Belagerung Wiens rechnen. Seine Widersacher nörgeln, Eugen habe zu viel riskiert. Er sei nicht Herr der Lage, immer habe er gegen alle Regeln verstoßen. All seine früheren Siege seien nur reine Glücksfälle gewesen.

Die Katastrophe für seine kranke Armee vor Augen, faßt der Prinz den tollkühnen Entschluß, den Stier bei den Hörnern zu packen. Er wählt die Offensive. Wie später Friedrich der Große vor der Schlacht bei Leuthen befiehlt er seine Generäle in sein Zelt, um ihnen seinen Entschluß zu übermitteln. Er soll dabei gesagt haben: "Entweder ich nehme Belgrad, oder die Türken nehmen mich."

Um Mitternacht treten 24 Kavallerie- und 52 Infanterieregimenter an. Die Türken haben nicht die geringste Ahnung vom bevorstehenden Angriff der Kaiserlichen. "Mit einem solchen Wahnsinnsentschluß, mit dieser Alles- oder Nichtstaktik des Prinzen, mit einem Angriff zwischen zwei Feuern, hatten sie nicht gerechnet."

Ein dichter Morgennebel sorgt für einige Verwirrung unter den Angreifern. Als endlich die Sonne durchbricht, gelingt den Türken ein Einbruch mit starken Kräften in eine Lücke im Zentrum der Armee des Prinzen. Doch Eugen wirft sich blitzschnell an der Spitze der Kavallerie an die bedrohte Stelle. Obwohl durch einen Streifschuß am Arm verwundet, spornt er durch sein kämpferisches Beispiel seine Soldaten an, das Letzte herzugeben. Im Lied des unbekannten Dichters heißt es hier: "Prinz Eugenius wohl auf der Rechten thät als wie ein Löwe fechten als General und Feldmarschall." Mit unwiderstehlicher Wucht stürzt sich die kaiserliche Armee nun auf den Gegner und zermalmt ihn.

Ohnmächtig müssen die türkischen Verteidiger der Festung den Untergang der Armee beobachten, die sie hatte befreien sollen. Am 22. April kapituliert auch die Festung. Der Jubel in ganz Europa ist groß, und Eugen erntet den überschwenglichen Dank des Kaisers.

Den Türken ist der Schock in die Glieder gefahren, und sie suchen den Frieden. Vorher muß der Prinz jedoch noch einmal mit einem erneuten Feldzug drohen, bevor es im folgenden Jahr zum Frieden von Passarowitz kommt. Genau wie Bismarck später besitzt auch Eugen einen gesunden Sinn für das Mögliche. Er rät zur Mäßigung, und von Forderungen noch größerer Gebietsabtretungen abzusehen.

Der Staatsmann


Die Laufbahn des Feldherrn ist damit abgeschlossen, eines Feldherrn wie ihn die Welt lange nicht gesehen hatte, und den Friedrich der Große und auch Napoleon mit Stolz als ihr Vorbild hinstellten.

Aber der Prinz war nicht nur ein großer Feldherr, sondern auch durch und durch Staatsmann. Er handelt nach dem Motto, daß Gott die Mäßigung mehr schätzt als den Übermut des Siegers! Die neuerworbenen Ländereien im Osten will er langsam mit dem Reich verschmelzen statt weitere unverdauliche Fremdgebiete anzustreben. Man hat diese weise Einstellung auf deutscher Seite im Ostfeldzug des zweiten Weltkrieges leider vermissen lassen. Übertriebener Ehrgeiz, neben sträflicher Unterschätzung einer globalen feindlichen Koalition, kosteten uns den Sieg.

Eugens Palast in der Himmelpfortgasse ist nun neben der Hofburg die erste Adresse in Wien geworden. Als Philipp von Orleans, der Sohn Liselottes und Nachfolger Ludwigs XIV., die Annäherung an den Kaiser sucht, führt sein Vorstoß bezeichnenderweise über Prinz Eugen. Es spricht für die menschliche Größe des Prinzen, daß er sein enormes Prestige nie für persönliche Zwecke ausgenutzt hat. Was er tut, geschieht stets im Namen und im Interesse seines kaiserlichen Herrn.

In Erinnerung an die einstige Großmachtstellung Spaniens ist sich Karl VI. nur zu sehr der Vorteile einer starken Handelsflotte mit aktivem maritimem Handel bewußt. Auf sein Betreiben wird die Ostindische Kompanie gegründet. Sie erzielt zwar fabelhafte Gewinne, verärgert aber die Rivalen Holland und vor allem England. Der Prinz hatte von Anfang an vor diesen Plänen gewarnt, da er die Reaktion der Engländer und Holländer richtig einschätzte. Ihm ist klar, daß es sich hier - wie immer- nicht um Rechte, sondern um Macht handelt!

Sein Mißtrauen soll bald bestätigt werden. Als Preis der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion zwingen die Seemächte den Kaiser dazu, die Kompanie aufzulösen. Karls Reaktion ist wiederum falsch. Erzürnt über die Anmaßung seiner Rivalen, verlegt er seine Ambitionen noch mehr nach Spanien und zerstört damit die schon in Ansätzen vorhandene Annäherung an Frankreich. Die Verbindung der habsburgischen mit der spanischen Krone war ein Unsegen für Österreich, und mehr noch für das Reich!

Die Pragmatische Sanktion, d. h. die weibliche Erbfolge des Hauses Habsburg, muß gegen erhebliche Widerstände erkämpft werden. Den Ewigen Reichstag zu Regensburg kann Eugen durch finanzielle Beeinflussung dazu bewegen, "im Namen des Heiligen Römischen Reiches" die Nachfolge anzuerkennen. Schwieriger gestaltet sich die Einholung des Einverständnisses der auswärtigen Mächte. Der Kaiser wähnt seinen Anspruch durch eine Reihe von Verträgen gesichert. Eugen hat keine solchen Illusionen. Er warnt Karl, sich nicht auf papierene Verträge zu verlassen, sondern auf eine volle Kasse und ein starkes Heer! Dafür wären allerdings die bedeutenden Reformen in der Verwaltung nötig gewesen, zu denen Karl sich nicht aufraffen kann. Mirko Jelusich urteilt über Karl VI.:"Er war ein echter Habsburger: Immer nur bemüht, Kompromisse zu schließen und das Unabwendbare hinauszuschieben, statt ihm entgegenzutreten und es zu meistern."
Vierzig Jahre lang hatte der Prinz auf allen Schlachtfeldern Europas um den Bestand der Monarchie gekämpft. Er hatte Habsburgs Großmachtstellung begründet, indem er seine Kernlande um ein vielfaches vergrößerte und seiner Politik nach dem verheerenden Ausgang des 30-jährigen Krieges neue Wege wies. Er war alt geworden, aber er hatte nicht die Absicht, tatenlos zuzuschauen, wie unfähige Verwalter sein Werk gefährden und zerstören.

Eugens Geheimdiplomatie


Für den gewöhnlichen Soldaten ein fremdes Umfeld, betritt der Prinz daher nach jahrelangen Kämpfen im Feld ein völlig neues Gebiet: das der Geheimdienste und der Untergrunddiplomatie. Typisch für ihn hält er sich dabei nicht an Lehrbücher, an Moralvorurteile oder gar an Völkerrechtstraktate. Ihm liegt daran, mit seinen Agenten die Absichten der Gegner des Kaisers auszukundschaften, die gegnerischen Strategien frühzeitig zu erkennen und durch Aufruhr und Verwirrung zu durchkreuzen.

Seine auf militärischem Gebiet angewandten Methoden setzt er jetzt mit Erfolg in der Friedensdiplomatie ein. Mit eigenem Geld kauft er nicht nur Informationen, sondern ebenfalls habsburgischen Einfluß an allen Höfen Europas.

Das Netz seiner Agenten erstreckt sich über den ganzen Kontinent. So wie sich die heutigen Geheimdienste, ob Mossad, CIA oder Secret Service, ihrer offiziellen Auslandsvertretungen bedienen, so werden auch die Botschafter des Kaisers, die zum Teil dem Prinzen ihre Stellung verdanken, die wichtigsten Träger seiner Geheimdiplomatie. Der Kaiser fördert diese unschätzbare Arbeit des Prinzen und sorgt dafür, daß niemand außer ihm eine Ahnung davon hat.

Was war der Zweck dieser kostspieligen Bemühungen? Welche Ziele verfolgte der Prinz in seiner ehrenamtlichen Außenpolitik, zu der er ohne Zweifel von den großen Gegenspielern des Reiches wie Richelieu oder Mazarin angeregt worden war? Im Hinblick auf den aufstrebenden brandenburg-preußischen Staat bangt der Prinz um die Gefahr eines innerdeutschen Bruderkrieges. Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, hat zwar kaum jemals Zweifel an seiner Loyalität zum Kaiserhaus aufkommen lassen. Auch den jungen Kronprinzen, den Eugen als Gast im Feldlager kennen und schätzen lernte, hält man als Verehrer von Musen und Philosophie für unkriegerisch und ungefährlich. Außer dem kaiserlichen Botschafter in Berlin, Seckendorf, erkennt nur Eugen mit feinem Instinkt den Ehrgeiz und das Genie des Königssohns.

Fortsetzung hier . . .